Die Logik scheint einfach: Ein Balkonkraftwerk darf in Deutschland bald bis zu 800 Watt ins Hausnetz einspeisen. Warum sollte man also Solarmodule mit einer Gesamtleistung von 1000 Watt oder mehr an einen solchen Wechselrichter anschließen?
Was auf den ersten Blick wie eine Verschwendung von Leistung und Geld aussieht, ist in Wirklichkeit eine durchdachte Strategie, um den jährlichen Stromertrag und somit Ihre Ersparnis zu maximieren. Dieses Phänomen nennt sich ‚Clipping‘ und ist der Schlüssel zu einem effizienteren Balkonkraftwerk.
Was ist Clipping und warum ist es kein Fehler?
Clipping (englisch für ‚abschneiden‘ oder ’stutzen‘) tritt auf, wenn der Wechselrichter seine maximale Ausgangsleistung erreicht. Er kann dann die zusätzliche Energie, die die Solarmodule in diesem Moment erzeugen, nicht mehr verarbeiten. Die Leistungskurve wird am Mittag sozusagen ‚abgeschnitten‘.
Stellen Sie sich einen Eimer vor, den Sie unter einem starken Wasserhahn füllen. Sobald der Eimer voll ist, läuft das zusätzliche Wasser über – es geht verloren. Beim Clipping ist es ähnlich: Der Wechselrichter (der Eimer) ist bei 800 Watt ‚voll‘, auch wenn die Solarmodule (der Wasserhahn) theoretisch mehr liefern könnten.
Dieser Zustand tritt jedoch nur wenige Stunden im Jahr auf – typischerweise an sonnigen Tagen um die Mittagszeit, wenn die Sonneneinstrahlung perfekt auf die Module trifft. Die entscheidende Frage ist: Was passiert in der restlichen Zeit?
Die Ertragskurve: Warum Morgen- und Abendstunden entscheidend sind
Der Energieertrag einer Solaranlage gleicht über den Tag gesehen einer Glockenkurve. Am Morgen steigt die Leistung langsam an, erreicht zur Mittagszeit ihren Höhepunkt und fällt zum Abend hin wieder ab. Nur während der absoluten Spitze wird die Nennleistung der Module annähernd erreicht.
Hier kommt die Überdimensionierung ins Spiel. Stärkere Solarmodule spielen ihren entscheidenden Vorteil gerade bei schwächerem Licht aus – also morgens, abends oder bei bewölktem Himmel. Dann produzieren sie deutlich mehr Strom als leistungsschwächere Module.
Ein konkretes Beispiel:
Standard-Setup (z. B. 860 Wp): An einem leicht bewölkten Vormittag erzeugen die Module beispielsweise 250 Watt.
Überdimensioniertes Setup (z. B. 1100 Wp): Unter denselben Bedingungen erzeugen die stärkeren Module bereits 350 Watt.
Diese zusätzlichen 100 Watt ernten Sie über viele Stunden des Tages. Im Vergleich zu diesem stetigen Mehrertrag fällt die Leistungsspitze, die durch das Clipping mittags bei 800 Watt gekappt wird, über das ganze Jahr gesehen kaum ins Gewicht.
Eine Grafik verdeutlicht den Unterschied im Tagesverlauf: Die Fläche des Mehrertrags durch Überdimensionierung in den Morgen- und Abendstunden gleicht den kleinen Verlust in der Mittagsspitze (die gekappte Spitze der Kurve) mehr als aus.

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Ab 1.299,00 €Die Wirtschaftlichkeitsrechnung: Wann rechnet sich die Überdimensionierung?
Die Erfahrung zeigt: Eine gezielte Überdimensionierung der Modulleistung um 20–40 % gegenüber der Wechselrichterleistung kann den Jahresertrag um 5–15 % steigern. Betrachten wir ein Rechenbeispiel.
Annahmen:
Strompreis: 35 Cent/kWh
Mehrkosten für stärkere Module: 80 €
Szenario 1: Standard-Balkonkraftwerk (860 Wp)
Jährlicher Ertrag: ca. 820 kWh
Jährliche Ersparnis: 820 kWh * 0,35 €/kWh = 287 €
Szenario 2: Überdimensioniertes Balkonkraftwerk (1100 Wp) mit Clipping
Jährlicher Ertrag (konservativ +8 %): ca. 885 kWh
Jährliche Ersparnis: 885 kWh * 0,35 €/kWh = 310 €
In diesem Beispiel bringt das überdimensionierte System eine zusätzliche jährliche Ersparnis von 23 €. Die anfänglichen Mehrkosten von 80 € amortisieren sich somit in weniger als vier Jahren. Über die gesamte Lebensdauer der Anlage von über 20 Jahren summiert sich dieser Vorteil erheblich.
Wichtige Aspekte bei der Überdimensionierung
Bevor Sie sich für stärkere Module entscheiden, sollten Sie zwei technische Voraussetzungen des Wechselrichters prüfen. Die meisten modernen Geräte, wie sie auch auf Photovoltaik.info angeboten werden, sind bereits dafür ausgelegt.
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Maximale Eingangsspannung (V): Die Spannung der in Reihe geschalteten Module darf die maximale Eingangsspannung des Wechselrichters nicht überschreiten. Dies ist bei Balkonkraftwerken mit nur zwei Modulen aber praktisch nie ein Problem.
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Maximaler Eingangsstrom (A): Der Strom der Module sollte zum Arbeitsbereich des Wechselrichters passen. Auch hier sind die meisten Sets bereits optimal aufeinander abgestimmt.
Besonders vorteilhaft ist die Überdimensionierung bei Anlagen, die nicht optimal nach Süden ausgerichtet sind. Bei einer Ost-West-Ausrichtung erreichen die Module selten ihre volle Leistung, da die Sonne nie im perfekten Winkel darauf scheint. Stärkere Module kompensieren diesen Nachteil, indem sie auch bei suboptimaler Einstrahlung einen höheren Ertrag liefern.

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6.999,00 €Häufige Fragen zum Thema Clipping (FAQ)
Ist Clipping schädlich für den Wechselrichter?
Nein, im Gegenteil. Clipping ist eine normale und vom Hersteller vorgesehene Betriebsfunktion. Der Wechselrichter schützt sich selbst, indem er seine Ausgangsleistung auf den Nennwert begrenzt. Er arbeitet dabei in einem sicheren und effizienten Bereich.
Wie viel Energie geht durch Clipping wirklich verloren?
Der tatsächliche Energieverlust ist erstaunlich gering. Studien und Praxiserfahrungen zeigen, dass der Verlust an der Mittagsspitze oft weniger als 1 % des gesamten Jahresertrags ausmacht. Der Gewinn in den Randstunden übersteigt diesen Wert bei Weitem.
Welche Modulleistung ist für einen 800-Watt-Wechselrichter ideal?
Eine gute Faustregel ist eine Gesamtmodulleistung, die etwa 25–35 % über der Nennleistung des Wechselrichters liegt. Für einen 800-Watt-Wechselrichter bedeutet das eine Modulleistung zwischen 1000 und 1100 Wp.
Lohnt sich die Überdimensionierung auch bei perfekter Südausrichtung?
Ja, auch bei Südausrichtung. Zwar tritt das Clipping hier häufiger auf, aber auch eine Südanlage profitiert an bewölkten Tagen und in den Morgen- und Abendstunden deutlich von den leistungsstärkeren Modulen.
Fazit: Clipping als intelligente Strategie für maximale Ersparnis
Die Überdimensionierung von Solarmodulen an einem 800-Watt-Wechselrichter ist keine Verschwendung, sondern eine clevere Investition. Sie tauschen eine kurze, selten erreichte Leistungsspitze gegen einen dauerhaft höheren Grundertrag über den gesamten Tag hinweg.
Das Ziel eines Balkonkraftwerks ist nicht, die höchstmögliche Momentanleistung zu erzielen, sondern über das ganze Jahr die maximale Menge an Kilowattstunden (kWh) zu erzeugen und so Ihre Stromrechnung zu senken. Clipping hilft Ihnen dabei, dieses Ziel zu erreichen, indem die Leistung genau dann zur Verfügung steht, wenn sie über den Tag anfällt: vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang.
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