Strom an den Nachbarn verkaufen: Lohnt sich das wirklich?

Besitzer von Photovoltaikanlagen kennen das Szenario: An sonnigen Tagen produziert die Anlage mehr Strom, als im eigenen Haushalt verbraucht oder im Stromspeicher zwischengespeichert werden kann. Der überschüssige Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist. Doch die Einspeisevergütung ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken und liegt oft nur noch bei wenigen Cent pro Kilowattstunde (kWh). Gleichzeitig zahlt der Nachbar nebenan vielleicht 30 Cent oder mehr an seinen Energieversorger. Der Gedanke, den Solarstrom direkt und zu einem besseren Preis an den Nachbarn zu verkaufen, liegt da nahe. Doch ist dieser Weg so einfach, wie er klingt?

In diesem Beitrag beleuchten wir die rechtlichen Rahmenbedingungen und die finanzielle Rentabilität eines privaten Stromliefervertrags. Wir zeigen Ihnen, welche Pflichten damit verbunden sind, und erklären, wann sich der Aufwand lohnen kann.

Die Grundidee: Ein Win-Win-Modell für die Nachbarschaft

Die Idee des direkten Stromverkaufs basiert auf einem einfachen Prinzip: Sie als Anlagenbetreiber erzielen einen höheren Preis für Ihren Solarstrom, als Sie durch die Einspeisung ins Netz erhalten würden. Ihr Nachbar profitiert im Gegenzug von einem günstigeren Strompreis, als er ihn bei seinem bisherigen Anbieter zahlen müsste. Der Preis wird dabei frei zwischen Ihnen beiden verhandelt und liegt idealerweise genau zwischen der Einspeisevergütung und dem marktüblichen Strompreis.

Ein typisches Anwendungsszenario:

Stellen Sie sich einen Vierpersonenhaushalt mit einer 10-kWp-Photovoltaikanlage vor. An einem Sommertag ist der hauseigene Stromspeicher bereits am frühen Nachmittag voll geladen. Die Familie ist bei der Arbeit oder in der Schule, der Verbrauch ist gering. Die Anlage produziert weiterhin Strom, der nun für ca. 8 Cent/kWh ins Netz fließt. Der Nachbar hingegen kommt nach Hause, schaltet seine Klimaanlage ein und lädt sein E-Auto – und bezieht den Strom für 35 Cent/kWh aus dem Netz. Würden Sie ihm den Strom für 25 Cent/kWh verkaufen, hätten beide Seiten einen klaren finanziellen Vorteil.

Die rechtliche Realität: Vom Anlagenbetreiber zum Energieversorger

So attraktiv die Idee klingt, so komplex sind die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland. Sobald Sie Strom an eine andere Person – auch den direkten Nachbarn – verkaufen, gelten Sie aus rechtlicher Sicht als Energieversorgungsunternehmen (EVU). Das bringt eine Reihe von Pflichten mit sich, die weit über einen einfachen Handschlag hinausgehen.

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Bürokratische Hürden und Pflichten

Wer Strom an Dritte liefert, muss sich auf einen erheblichen administrativen Aufwand einstellen – ein Punkt, den viele Anlagenbetreiber erfahrungsgemäß unterschätzen.

  1. Meldepflicht bei der Bundesnetzagentur: Sie müssen Ihre Tätigkeit als Stromlieferant bei der Bundesnetzagentur anzeigen.
  2. Stromsteuer: Auf den gelieferten Strom fällt Stromsteuer an. Dafür müssen Sie eine Erlaubnis als Versorger beim zuständigen Hauptzollamt beantragen und regelmäßig Stromsteuermeldungen abgeben.
  3. EEG-Umlage: Für den direkt gelieferten Strom muss die volle EEG-Umlage abgeführt werden. Diese Pflicht entfällt nicht, auch wenn der Strom direkt von Ihrem Dach kommt.
  4. Netzentgelte und weitere Umlagen: Da der Strom physikalisch durch das öffentliche Niederspannungsnetz zu Ihrem Nachbarn fließt (auch wenn es nur wenige Meter sind), fallen in der Regel Netznutzungsentgelte, Konzessionsabgaben und weitere Umlagen an, die an den Netzbetreiber abgeführt werden müssen.

Notwendige technische Ausstattung

Für die exakte Abrechnung des gelieferten Stroms ist eine geeichte Messeinrichtung erforderlich, denn ein einfacher privater Zwischenzähler genügt nicht. Sie benötigen einen zertifizierten Zähler, der den Stromfluss zu Ihrem Nachbarn manipulationssicher erfasst. Dessen Anschaffungs- und Installationskosten müssen Sie in Ihrer Wirtschaftlichkeitsberechnung berücksichtigen.

Die Wirtschaftlichkeitsrechnung: Wann rechnet sich der Aufwand?

Um zu beurteilen, ob sich der Direktverkauf lohnt, müssen wir die potenziellen Einnahmen den Kosten und dem Aufwand gegenüberstellen. Lassen Sie uns dies an einem konkreten Beispiel durchrechnen.

Annahmen für die Berechnung:

  • Sie verkaufen jährlich 1.500 kWh Solarstrom an Ihren Nachbarn.
  • Ihr Nachbar zahlt aktuell 35 Cent/kWh bei seinem Energieversorger.
  • Die aktuelle Einspeisevergütung für Ihre Anlage beträgt 8 Cent/kWh.
  • Sie einigen sich auf einen Verkaufspreis von 25 Cent/kWh.
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Einnahmen- und Kostenseite

Mögliche Mehreinnahmen (Brutto):

  • Einnahmen durch Direktverkauf: 1.500 kWh * 0,25 €/kWh = 375 €
  • Einnahmen durch Netzeinspeisung (Alternative): 1.500 kWh * 0,08 €/kWh = 120 €
  • Ihr direkter Mehrerlös vor Abzügen: 375 € – 120 € = 255 €

Abzüge und Kosten (Schätzwerte):

Von diesem Mehrerlös müssen nun die anfallenden Abgaben und Kosten abgezogen werden. Diese können je nach Netzbetreiber und Region variieren.

  • EEG-Umlage (Stand 2024, Beispielwert): ca. 3-4 Cent/kWh -> 1.500 kWh * 0,035 € = 52,50 €
  • Stromsteuer: ca. 2,05 Cent/kWh -> 1.500 kWh * 0,0205 € = 30,75 €
  • Netzentgelte, Umlagen etc. (geschätzt): ca. 5-7 Cent/kWh -> 1.500 kWh * 0,06 € = 90 €
  • Kosten für Zähler und Abrechnung (jährlich pauschal): ca. 50 €

Gesamtkosten: 52,50 € + 30,75 € + 90 € + 50 € = 223,25 €

Das Nettoergebnis

  • Netto-Mehrerlös pro Jahr: 255 € (Brutto-Mehrerlös) – 223,25 € (Kosten) = 31,75 €

In diesem realistischen Szenario bleibt nach Abzug aller Kosten und Umlagen nur ein geringer finanzieller Vorteil übrig. Demgegenüber steht der administrative Aufwand für die Anmeldung, die laufenden Meldungen und die Abrechnung. Für die meisten Betreiber privater Kleinanlagen ist das Verhältnis von Aufwand zu Ertrag daher unattraktiv. Stattdessen lässt sich die Wirtschaftlichkeit einer PV-Anlage durch andere Maßnahmen in der Regel effektiver steigern.

Alternativen zum direkten Stromverkauf

Die Erfahrung vieler Kunden zeigt, dass die Optimierung des Eigenverbrauchs oft der sinnvollere und einfachere Weg ist, um die Rentabilität einer Solaranlage zu maximieren.

  • Intelligentes Lastmanagement: Richten Sie den Betrieb von Großverbrauchern wie Waschmaschine, Spülmaschine oder der Ladestation für das E-Auto gezielt auf die Mittagsstunden aus, wenn die Stromproduktion am höchsten ist.
  • Anpassung des Stromspeichers: Ein korrekt dimensionierter Stromspeicher kann den überschüssigen Strom für die Abend- und Nachtstunden speichern. Dadurch reduzieren Sie den teuren Netzbezug und steigern Ihre Autarkie.
  • Wärmepumpe und Heizstab: Nutzen Sie überschüssigen Solarstrom, um Ihr Brauchwasser zu erwärmen. Das ist oft rentabler als die Einspeisung ins Netz.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Muss ich für den Stromverkauf ein Gewerbe anmelden?
Ja, in der Regel ist für den regelmäßigen Verkauf von Strom eine Gewerbeanmeldung erforderlich. Dies sollte vorab mit einem Steuerberater geklärt werden, da es auch Auswirkungen auf die Einkommensteuer hat.

Was passiert, wenn meine PV-Anlage ausfällt oder nicht genug Strom liefert?
Ihr Nachbar muss lückenlos mit Strom versorgt werden. Er benötigt daher weiterhin einen Vertrag mit einem regulären Energieversorger, der die Reststromlieferung sicherstellt. Ihr privater Liefervertrag deckt nämlich nur den von Ihnen tatsächlich gelieferten Solarstrom ab.

Wie wird der Strompreis fair festgelegt?
Der Preis ist reine Verhandlungssache. Ein fairer Ausgangspunkt ist die Mitte zwischen der aktuellen Einspeisevergütung und dem Arbeitspreis, den Ihr Nachbar bei seinem Versorger zahlt. Berücksichtigen Sie bei Ihrer Kalkulation alle anfallenden Umlagen und Steuern.

Ist der Stromverkauf auch bei einem Balkonkraftwerk möglich?
Theoretisch ja, praktisch nein. Der administrative Aufwand und die Kosten für die Messtechnik würden den geringen Ertrag eines Balkonkraftwerks bei Weitem übersteigen. Zudem ist dies in Mietwohnungen vertraglich meist ausgeschlossen.

Fazit: Eine gute Idee mit hohem administrativem Aufwand

Der direkte Verkauf von Solarstrom an den Nachbarn ist ein sympathisches Konzept, das die Energiewende im Kleinen fördert. Die rechtlichen und steuerlichen Hürden in Deutschland machen es für Betreiber kleiner Photovoltaikanlagen jedoch in den meisten Fällen unwirtschaftlich. Der administrative Aufwand und die laufenden Kosten fressen den potenziellen Mehrerlös im Vergleich zur einfachen Netzeinspeisung oft vollständig auf.

Für die meisten Eigenheimbesitzer bleibt die Maximierung des Eigenverbrauchs der Königsweg zur Amortisation ihrer Anlage. Intelligente Steuerung und ein passend dimensionierter Stromspeicher sind hier die effektivsten Werkzeuge.

Möchten Sie Ihre individuelle Situation besser einschätzen oder suchen Sie nach Wegen, Ihren Eigenverbrauch zu optimieren? Weitere praxisnahe Informationen zur Auswahl der richtigen Komponenten finden Sie direkt auf Photovoltaik.info.

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OLEKSANDR PUSHKAR
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