PV-Eigenverbrauch und dynamische Stromtarife: Wann es sich lohnt, den Speicher mit Netzstrom zu laden

Stellen Sie sich vor, Sie besitzen eine Photovoltaikanlage mit Speicher und kaufen nachts bewusst Strom aus dem Netz, obwohl Ihr Speicher noch geladen werden könnte. Was zunächst widersinnig klingt, entpuppt sich als eine der intelligentesten Strategien für Betreiber von PV-Anlagen. Anstatt den Photovoltaik Eigenverbrauch zu optimieren, indem Sie ausschließlich auf die Sonne setzen, nutzen Sie die Preisschwankungen am Strommarkt zu Ihrem Vorteil. Dieser Artikel erklärt, wann und warum diese Taktik wirtschaftlich sinnvoll ist und welche Technik Sie dafür benötigen.

Das klassische Ziel: Autarkie durch Eigenverbrauch

Bisher galt eine einfache Regel: Je mehr selbst erzeugten Solarstrom Sie direkt verbrauchen oder für die Nacht speichern, desto besser. Jede Kilowattstunde (kWh), die Sie nicht aus dem teuren öffentlichen Netz beziehen müssen, spart Geld. Ein Stromspeicher für Photovoltaik ist dabei der Schlüssel, um die Sonnenenergie vom Tag in die Nacht zu bringen. Dieses Modell ist bewährt und für viele Haushalte nach wie vor die richtige Grundlage.

Doch der Energiemarkt verändert sich rasant. Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien schwanken die Strompreise an der Börse immer stärker und eröffnen völlig neue Möglichkeiten.

Die neue Strategie: Intelligentes Laden mit dynamischen Stromtarifen

Bei einem dynamischen Stromtarif orientiert sich Ihr Strompreis direkt an den Preisen der Strombörse, die sich stündlich ändern können. Die Regel ist simpel: Wenn viel Wind weht und die Sonne scheint, gibt es einen Stromüberschuss und die Preise sind extrem niedrig – manchmal sogar negativ. In den Abendstunden, wenn der Verbrauch hoch ist und kaum Solarstrom erzeugt wird, steigen die Preise hingegen stark an.

Typisches Szenario für Börsenstrompreise:

  • Nachts (01:00 – 05:00 Uhr): Geringe Nachfrage, oft viel Windstrom. Die Preise können auf 5–10 Cent/kWh oder sogar tiefer fallen.
  • Tagsüber (08:00 – 18:00 Uhr): Hohe Solarstromproduktion drückt die Preise, aber die Nachfrage aus der Industrie hält sie oft stabil.
  • Abends (18:00 – 21:00 Uhr): Hohe Haushaltsnachfrage trifft auf geringe Erzeugung. Die Preise erreichen Spitzenwerte von 25–40 Cent/kWh.

Genau hier setzt die neue Strategie an. Statt Ihren wertvollen, tagsüber erzeugten Solarstrom zu speichern, speisen Sie ihn zu den teuersten Zeiten ins Netz ein und erhalten dafür eine hohe Vergütung. In der Nacht, wenn der Strom an der Börse besonders günstig ist, laden Sie Ihren Speicher mit Netzstrom für den Verbrauch am nächsten Morgen.

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Die wirtschaftliche Abwägung: Wann rechnet sich der Netzbezug?

Entscheidend ist die Frage, wann diese Vorgehensweise profitabler ist als der klassische Eigenverbrauch. Die Antwort liegt in der Differenz zwischen dem Verkaufspreis Ihres Solarstroms und dem Einkaufspreis des Nachtstroms.

Eine einfache Faustregel: Das Laden aus dem Netz lohnt sich, wenn der Preis für den Netzstrom – inklusive der Speicherverluste – deutlich unter dem Erlös aus dem Verkauf Ihres Solarstroms liegt.

Beispielrechnung:

  • Verkaufspreis Solarstrom (tagsüber): Sie verkaufen Ihren Strom zur Mittagsspitze für 18 Cent/kWh an der Börse (über einen Direktvermarkter).
  • Einkaufspreis Netzstrom (nachts): Sie kaufen Strom für 8 Cent/kWh.
  • Speicherverluste: Bei jedem Lade- und Entladevorgang geht Energie verloren. Ein typischer Wirkungsgradverlust liegt bei etwa 10–15 %. Wir rechnen mit 15 %.

Ihr effektiver Einkaufspreis für eine gespeicherte Kilowattstunde aus dem Netz beträgt somit: 8 Cent / (1 – 0,15) = 9,4 Cent/kWh.

In diesem Beispiel erzielen Sie allein durch intelligentes Management einen Gewinn von 18 Cent (Verkauf) – 9,4 Cent (effektiver Einkauf) = 8,6 Cent pro Kilowattstunde.

Aktuelle Studien, wie die des Fraunhofer ISE zu Strommarktpreisen, bestätigen die zunehmende Volatilität. An Tagen mit extrem viel Wind und Sonne fallen die Börsenpreise sogar in den negativen Bereich. Das bedeutet, Sie bekommen Geld dafür, dass Sie Strom abnehmen – ein unschlagbares Argument, den Heimspeicher aus dem Netz zu laden.

Die technische Voraussetzung: Das intelligente Energiemanagementsystem (EMS)

Diese Strategie funktioniert nicht von allein. Ihr Herzstück ist ein intelligentes Energiemanagementsystem (EMS). Dieses System ist weit mehr als eine einfache Steuerung; es ist quasi das Gehirn Ihrer gesamten Hausenergieversorgung.

Ein solches EMS muss mehrere Aufgaben gleichzeitig erfüllen:

  1. Datenanalyse: Es greift auf die aktuellen Börsenstrompreise zu, idealerweise mit einer Prognose für die nächsten 24 Stunden.
  2. Erzeugungsprognose: Anhand von Wetterdaten prognostiziert es die erwartete Solarstromproduktion Ihrer Anlage.
  3. Verbrauchsprognose: Es lernt Ihr typisches Verbrauchsverhalten (z. B. wann das E-Auto lädt oder die Wärmepumpe läuft).
  4. Intelligente Steuerung: Basierend auf all diesen Daten entscheidet es autonom, welche Strategie sich aktuell am meisten lohnt: den Speicher mit Solarstrom laden, den Solarstrom verkaufen und nachts Netzstrom kaufen oder den Solarstrom direkt verbrauchen.

Die Erfahrung zeigt, dass nicht jeder Wechselrichter oder Stromspeicher standardmäßig mit einem so fortschrittlichen EMS ausgestattet ist. Bei der Planung einer neuen Anlage ist es daher entscheidend, auf die Kompatibilität der Komponenten und die Fähigkeit zur Anbindung an dynamische Stromtarife zu achten.

Für wen ist diese Strategie besonders geeignet?

Obwohl die Kombination aus PV-Anlage und dynamischem Stromtarif für viele interessant ist, profitieren bestimmte Nutzergruppen besonders davon:

  • Haushalte mit Elektroauto: Ein E-Auto ist ein großer, flexibler Stromverbraucher. Das EMS kann das Laden gezielt in die günstigsten Nachtstunden legen.
  • Besitzer von Wärmepumpen: Ähnlich wie E-Autos können Wärmepumpen so gesteuert werden, dass sie ihren Wärmespeicher (Pufferspeicher) in den günstigsten Strompreisphasen aufladen.
  • Anlagenbetreiber mit hoher Einspeiseleistung: Je mehr Strom Sie potenziell verkaufen können, desto größer ist der Hebel, den Sie durch die Preisdifferenzen am Markt haben.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was genau ist ein dynamischer Stromtarif?

Ein dynamischer Stromtarif gibt die stündlichen oder viertelstündlichen Preise der Strombörse (Spotmarkt) direkt an Sie weiter, zuzüglich Steuern und Netzentgelten. Sie zahlen also keinen festen Preis pro kWh, sondern der Preis ändert sich ständig.

Benötige ich dafür einen speziellen Stromzähler?

Ja, Sie benötigen einen intelligenten Stromzähler (Smart Meter). Dieser ist in der Lage, Ihren Verbrauch in kurzen Intervallen (z. B. alle 15 Minuten) zu messen und an den Netzbetreiber zu übermitteln. Nur so kann Ihr Verbrauch korrekt zu den jeweiligen Stundenpreisen abgerechnet werden. Der Einbau wird in Deutschland schrittweise für alle Haushalte verpflichtend sein.

Ist diese Strategie immer und an jedem Tag profitabel?

Nein, nicht zwangsläufig. An bewölkten Tagen mit geringen Preisschwankungen kann der klassische Eigenverbrauch sinnvoller sein. Ein gutes EMS erkennt dies und wählt automatisch die für den jeweiligen Tag beste Strategie. Der wirtschaftliche Vorteil ergibt sich über die Summe der optimierten Tage im Jahr.

Kann ich meine bestehende PV-Anlage nachrüsten?

Das hängt stark von den verbauten Komponenten ab. Einige moderne Wechselrichter und Speichersysteme lassen sich per Software-Update oder Zusatzmodul für dynamische Tarife freischalten. Bei älteren Systemen kann ein Austausch des EMS oder des Wechselrichters notwendig sein.

Welche Risiken gibt es?

Das Hauptrisiko sind Phasen mit anhaltend hohen Börsenstrompreisen, zum Beispiel während einer „Dunkelflaute“ im Winter. In solchen Zeiten kann der Strombezug teurer werden als bei einem Tarif mit Preisgarantie. Ein intelligentes System minimiert dieses Risiko jedoch, indem es bei hohen Preisen auf den gespeicherten Solarstrom zurückgreift.

Fazit: Die Zukunft der Energieversorgung ist intelligent und flexibel

Die Zeiten, in denen eine Photovoltaikanlage nur auf maximale Autarkie ausgelegt wurde, sind vorbei. Die intelligente Kombination aus Eigenerzeugung, Speicherung und dem gezielten Bezug von günstigem Netzstrom markiert den nächsten Evolutionsschritt. Statt nur Stromverbraucher oder -erzeuger zu sein, werden Sie zum aktiven Teilnehmer am Energiemarkt.

Voraussetzung dafür ist eine sorgfältige Planung und die Auswahl der richtigen Komponenten, die optimal aufeinander abgestimmt sind. Ein leistungsfähiges Energiemanagementsystem ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. Wer heute eine neue Anlage plant, sollte diese Möglichkeit unbedingt in Betracht ziehen, um langfristig das Maximum aus seiner Investition herauszuholen.

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OLEKSANDR PUSHKAR
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