Notstrom aus der PV-Anlage: Was Sie über Hochvolt- und Niedervoltspeicher wissen sollten

Ein Stromausfall kommt immer ungelegen, oft an einem stürmischen Abend, an dem plötzlich die Lichter ausgehen. Besitzer einer Photovoltaikanlage mit Stromspeicher wiegen sich da oft in Sicherheit – doch die Realität ist komplexer. Nicht jede Anlage liefert automatisch Notstrom, und ihre Leistungsfähigkeit im Ernstfall hängt von einer entscheidenden technischen Eigenschaft ab: der Systemspannung des Speichers.

Ob Sie im Notfall nur den Kühlschrank betreiben oder Ihr ganzes Haus versorgen können, entscheidet sich mit der Wahl zwischen einem Hochvolt- und einem Niedervoltsystem.

Was bedeutet „notstromfähig“ bei einer Photovoltaikanlage?

Eine Photovoltaikanlage erzeugt Strom, wenn die Sonne scheint. Ohne einen Stromspeicher wird dieser Strom entweder direkt im Haus verbraucht oder ins öffentliche Netz eingespeist. Fällt das Stromnetz aus, schalten sich Standard-Wechselrichter aus Sicherheitsgründen sofort ab – auch wenn die Sonne scheint. Das Haus bleibt dunkel.

Eine notstromfähige Anlage kann sich hingegen vom öffentlichen Netz trennen und ein eigenes, internes Stromnetz für Ihr Haus aufbauen, ein sogenanntes Inselnetz. Dafür sind zwei Komponenten entscheidend:

  1. Ein notstromfähiger Hybrid-Wechselrichter: Er ist das Gehirn der Anlage und kann sowohl mit den PV-Modulen und dem Stromspeicher als auch mit dem Hausnetz kommunizieren.

  2. Ein Stromspeicher (Batterie): Er liefert die Energie, wenn die Sonne nicht scheint oder der Momentanbedarf die PV-Leistung übersteigt.

Diese Komponenten – oft ergänzt durch eine automatische Umschalteinrichtung – sorgen gemeinsam dafür, dass Ihr Haus bei einem Netzausfall weiter mit Strom versorgt wird.

Schema einer notstromfähigen PV-Anlage mit Speicher und Wechselrichter

Entscheidend ist jedoch, wie leistungsfähig diese Versorgung ist. Und genau hier kommt die Systemspannung des Speichers ins Spiel.

Der entscheidende Unterschied: Hochvolt- vs. Niedervoltspeicher

Stellen Sie sich die Spannung in einem Stromspeicher wie den Wasserdruck in einer Leitung vor. Ein Niedervoltsystem ist wie ein Gartenschlauch – nützlich für viele Anwendungen, aber in der Fördermenge begrenzt. Ein Hochvoltsystem hingegen gleicht einer Feuerwehrlanze: Es kann in kurzer Zeit sehr viel Energie mit hohem Druck abgeben. Diese Analogie verdeutlicht, warum die Spannung für die Notstromversorgung so kritisch ist.

Niedervoltspeicher (NV-Systeme): Die flexible Basis

Niedervoltspeicher arbeiten typischerweise mit einer Spannung von 48 Volt. Sie gelten als etablierte und robuste Technologie. Ihre modulare Bauweise erlaubt oft eine flexible Erweiterung der Speicherkapazität.

Für die Notstromversorgung haben sie jedoch systembedingte Nachteile:

  • Begrenzte Leistungsabgabe: Die Umwandlung der niedrigen Batteriespannung (48 V DC) in die hohe Haushaltsspannung (230 V AC) ist technisch aufwendig. Deshalb ist die Leistung, die ein NV-System im Notstrombetrieb abgeben kann, oft auf 3 bis 5 Kilowatt (kW) begrenzt. Das reicht für Licht, Kühlschrank und Unterhaltungselektronik, aber eine gleichzeitig laufende Kaffeemaschine und ein Föhn können das System bereits an seine Grenzen bringen.

  • Geringere Effizienz: Bei der Umwandlung von niedrigen zu hohen Spannungen entstehen höhere Verluste, wodurch ein kleiner Teil der gespeicherten Energie ungenutzt verloren geht.

  • Eingeschränkter Inselbetrieb: Die Versorgung des gesamten Hauses inklusive großer Verbraucher wie einer Wärmepumpe oder eines E-Herds ist mit NV-Systemen meist nicht möglich. Sie eignen sich eher zur Absicherung einzelner, wichtiger Stromkreise.

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Hochvoltspeicher (HV-Systeme): Die Kraftpakete für echte Autarkie

Hochvoltspeicher arbeiten mit Spannungen von 100 bis über 500 Volt. Dieses höhere Spannungsniveau liegt deutlich näher an der Spannung des öffentlichen Netzes und der Zwischenkreisspannung des Wechselrichters.

Das bringt im Notstromfall entscheidende Vorteile:

  • Hohe Leistungsabgabe: HV-Systeme können deutlich mehr Leistung bereitstellen. Werte von 10 kW oder mehr sind keine Seltenheit. Damit können Sie auch im Notfall Ihre Wärmepumpe betreiben, kochen und nahezu den gewohnten Lebensstandard aufrechterhalten. Die Erfahrung zeigt, dass sich die meisten Nutzer, die Wert auf echte Unabhängigkeit legen, für ein HV-System entscheiden.

  • Höhere Effizienz: Die Umwandlung von Hochvolt-DC in 230 V AC ist effizienter, die Verluste sind geringer. Mehr von Ihrem gespeicherten Sonnenstrom kommt tatsächlich bei Ihren Geräten an.

  • Voller Inselbetrieb: Erst ein HV-System ermöglicht in der Regel eine wirklich umfassende Notstromversorgung für das gesamte Haus. Mehr über die Vorteile von Stromspeichern erfahren Sie in unserem Grundlagenartikel.

Vergleichstabelle HV vs. NV Speicher im Notstrombetrieb

Praxis-Check: Worauf es im Ernstfall wirklich ankommt

Die technischen Daten sind das eine, die Auswirkungen im Alltag das andere. Drei Faktoren sind im Notstromfall besonders relevant.

Die Umschaltzeit: Sekunden, die entscheiden

Die Umschaltzeit beschreibt die Dauer, die Ihre Anlage benötigt, um nach einem Netzausfall auf Batteriebetrieb umzuschalten. Diese Zeitspanne entscheidet darüber, ob Ihre Geräte den Ausfall überhaupt bemerken.

  • Standard-Umschaltung (mehrere Sekunden): Viele Systeme benötigen einige Sekunden für den Wechsel. Das Licht flackert, der Fernseher und der Computer gehen aus und müssen neu gestartet werden.

  • Unterbrechungsfreie Umschaltung (weniger als 20 Millisekunden): Hochwertige Systeme, insbesondere im HV-Bereich, schaffen den Wechsel so schnell, dass selbst empfindliche Elektronik wie Computer oder Server weiterlaufen. Man spricht hier von einer unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV). Viele Kunden, die auf eine stabile Versorgung für ihr Homeoffice angewiesen sind, bevorzugen Systeme mit USV-Eigenschaften.

Echter Inselbetrieb: Das ganze Haus versorgen

Der Wunsch nach Autarkie geht für viele über die reine Überbrückung eines Stromausfalls hinaus. Er zielt auf einen echten Inselbetrieb ab: die Fähigkeit, das Haus vollständig und dauerhaft vom öffentlichen Netz zu trennen. Dafür muss der Wechselrichter „schwarzstartfähig“ sein, also aus eigener Kraft ein stabiles Netz aufbauen können.

Diese Fähigkeit ist die Königsdisziplin der Notstromversorgung. Sie stellt sicher, dass Sie nicht nur einzelne Steckdosen, sondern Ihr gesamtes Haus mit allen wichtigen Verbrauchern versorgen können. Aufgrund der hohen Leistungsanforderungen ist dies fast ausschließlich mit leistungsstarken HV-Speichersystemen realisierbar. Wie Sie den richtigen Wechselrichter für Ihre Anlage finden, erklären wir hier.

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Nachladen bei Netzausfall: Die Sonne als Kraftwerk

Ein entscheidender Punkt, der oft übersehen wird: Kann der Speicher während eines Stromausfalls durch die PV-Anlage nachgeladen werden? Ein leerer Speicher nützt bei einem mehrtägigen Ausfall wenig.

Moderne Hybrid-Wechselrichter können das. Sie sorgen dafür, dass die PV-Anlage auch im Inselbetrieb weiter Strom erzeugt und den Speicher für die nächste Nacht wieder füllt. So wird Ihre Solaranlage zum autarken Hauskraftwerk. Diese Funktion ist sowohl bei HV- als auch bei NV-Systemen verfügbar, aber die nutzbare Leistung aus der PV-Anlage ist bei HV-Systemen oft höher.

Welche Lösung ist die richtige für Sie?

Die Wahl zwischen einem Hochvolt- und einem Niedervoltspeicher hängt von Ihren persönlichen Anforderungen an die Versorgungssicherheit ab.

Szenario 1: Der Absicherer

Sie möchten primär die wichtigsten Verbraucher wie Kühlschrank, Gefriertruhe, Heizungssteuerung, Licht und Internet am Laufen halten. Ein Stromausfall ist für Sie ein seltenes Ärgernis, das überbrückt werden soll. In diesem Fall kann ein gut geplantes NV-System eine pragmatische und kosteneffiziente Lösung sein.

Szenario 2: Der Autarkie-Enthusiast

Ihr Ziel ist es, einen mehrtägigen Stromausfall möglichst ohne Komfortverlust zu überstehen. Sie wollen auch Großverbraucher wie eine Wärmepumpe oder den Herd weiter nutzen können. Für Sie ist Versorgungssicherheit ein zentrales Anliegen. Dann führt kaum ein Weg an einem leistungsstarken HV-System vorbei.

Als Informationsplattform hilft Ihnen Photovoltaik.info dabei, die richtige Technologie für Ihre Bedürfnisse zu finden. Informieren Sie sich über komplette Photovoltaikanlagen und deren Komponenten.

Häufige Fragen zur Notstromversorgung mit PV-Anlagen (FAQ)

Ist jede PV-Anlage mit Speicher automatisch notstromfähig?
Nein, das ist eine der häufigsten Fehlannahmen. Notstromfähigkeit erfordert einen speziellen Hybrid-Wechselrichter und in der Regel eine externe oder integrierte Umschalteinrichtung. Standard-Wechselrichter sind aus Sicherheitsgründen nicht dafür ausgelegt.

Wie viel Leistung brauche ich im Notstromfall?
Das hängt von Ihren Verbrauchern ab. Addieren Sie die Leistung der Geräte, die unbedingt gleichzeitig laufen müssen. Eine Faustregel: Für eine Grundversorgung mit Licht, Kühlschrank und Kommunikation rechnet man mit etwa 3 kW. Für vollen Komfort inklusive Kochen oder dem Betrieb einer Wärmepumpe sollten Sie eher mit 8 bis 10 kW planen.

Kann ich mein E-Auto bei Stromausfall laden?
Technisch ist das mit einem sehr leistungsstarken HV-System möglich. Allerdings würde eine Wallbox mit 11 kW Ladeleistung den Hausspeicher extrem schnell leeren. Sinnvoller ist es, das Auto tagsüber langsam mit dem Überschuss der Solaranlage zu laden, um die Batterie für die Nacht zu schonen.

Was kostet eine notstromfähige Ausstattung zusätzlich?
Die Mehrkosten für einen notstromfähigen Wechselrichter und die notwendige Installation liegen erfahrungsgemäß in einem Rahmen von 1.000 bis 2.500 Euro. Die genaue Höhe der Kosten hängt vom gewählten System (HV/NV) und dem Umfang der Notstromversorgung ab – also ob nur einzelne Stromkreise oder das ganze Haus abgesichert werden.

Die Entscheidung für ein Speichersystem ist eine weitreichende. Während im Alltag die Unterschiede zwischen Hochvolt- und Niedervolttechnik gering erscheinen mögen, werden sie im Ernstfall eines Stromausfalls entscheidend. Es geht nicht nur darum, ob Sie Strom haben, sondern auch darum, wie viel und wie zuverlässig. Eine durchdachte Planung stellt sicher, dass Ihre Investition in die Unabhängigkeit sich genau dann auszahlt, wenn Sie sie am meisten brauchen.

Im Shop von Photovoltaik.info finden Sie Komplettsets, die auf typische Anlagengrößen und auch auf eine leistungsfähige Notstromversorgung abgestimmt sind.

Sie möchten Ihre individuelle Situation besser einschätzen? Nehmen Sie gern Kontakt mit uns auf.

Die Entscheidung für Hochvolt- oder Niedervoltspeicher bei Notstromversorgung

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