Lastmanagement im Mehrfamilienhaus: Solarstrom intelligent verteilen

Stellen Sie sich ein Mehrfamilienhaus mit einer modernen Photovoltaikanlage auf dem Dach vor
An einem sonnigen Nachmittag erzeugt die Anlage reichlich Solarstrom. Gleichzeitig kommen mehrere Bewohner nach Hause, schließen ihre Elektroautos an die Wallboxen in der Tiefgarage an und im Dachgeschoss startet die Wärmepumpe, um für den Abend vorzuheizen. Ohne intelligente Steuerung würde dieser geballte Energiebedarf den Hausanschluss schnell an seine Grenzen bringen und den Zukauf von teurem Netzstrom erfordern – und das trotz voller Solarmodule. Genau hier setzt intelligentes Lastmanagement an: Es sorgt dafür, dass der selbst erzeugte Strom optimal genutzt und das System nicht überlastet wird.
Was ist eine Eigenverbrauchsgemeinschaft und warum ist Lastmanagement entscheidend?
Eine Eigenverbrauchsgemeinschaft (in Deutschland oft im Rahmen des Mieterstrommodells umgesetzt) ermöglicht es den Bewohnern eines Mehrparteienhauses, den Strom der gemeinsamen Photovoltaikanlage direkt vor Ort zu verbrauchen. Diese Lösung ist günstiger und umweltfreundlicher als der Bezug aus dem öffentlichen Netz, birgt aber auch eine Herausforderung: die Bündelung von Verbrauchsspitzen.
Insbesondere zwei große Verbraucher verändern die Energielandschaft in Wohngebäuden fundamental:
- Elektroautos: Das Laden eines einzigen E-Autos kann den durchschnittlichen Strombedarf eines Haushalts leicht verdoppeln. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) zeigt, dass ungesteuertes Laden in den Abendstunden zu extremen Lastspitzen führt, die lokale Stromnetze überfordern können.
- Wärmepumpen: Sie sind die Zukunft der Wärmeversorgung, benötigen für ihren Betrieb aber ebenfalls viel Strom, besonders an kalten Tagen.
Wenn mehrere dieser leistungsstarken Verbraucher gleichzeitig aktiv sind, entsteht eine hohe Lastspitze. Ohne Lastmanagement müsste der Hausanschluss teuer erweitert werden oder es würde massiv Strom aus dem Netz zugekauft, was den Sinn des Eigenverbrauchs untergräbt. Lastmanagement zielt deshalb darauf ab, den Stromverbrauch intelligent über den Tag zu verteilen, den Eigenverbrauch des Solarstroms zu maximieren und kostspielige Spitzen zu vermeiden.
Die technische Zentrale: Smart Meter Gateway (SMGW) und CLS-Management
Das Herzstück eines modernen Lastmanagementsystems ist die Kommunikation zwischen Stromerzeugung, Verbrauchern und einer zentralen Steuereinheit. In Deutschland bildet das Smart Meter Gateway (SMGW) die sichere und standardisierte Basis dafür.
Stellen Sie sich das System wie ein Orchester vor:
- Der Erzeuger (PV-Anlage): Liefert die Energie (die „Partitur“).
- Die Verbraucher (Wallbox, Wärmepumpe etc.): Sind die Musiker, die Energie benötigen.
- Der Intelligente Messstellenbetreiber (iMSys) mit Smart Meter: Ist der „Buchhalter“, der exakt misst, wer wann wie viel Strom verbraucht und wie viel erzeugt wird.
- Das Smart Meter Gateway (SMGW): Fungiert als sicherer „Daten-Kurier“, der alle Messdaten sammelt und Steuerbefehle weiterleitet. Seine BSI-Zertifizierung schützt die Datenübertragung vor unbefugtem Zugriff.
- Das Energiemanagementsystem (EMS): Ist der „Dirigent“. Es analysiert alle Daten in Echtzeit – Sonneneinstrahlung, aktuellen Verbrauch, Ladestände der E-Autos, Nutzervorgaben – und entscheidet, welcher Verbraucher wann wie viel Strom bekommt.
- Der CLS-Kanal (Controllable Local Systems): Über diesen sicheren Kanal, den „Taktstock“ des Dirigenten, sendet das SMGW die Steuerbefehle des EMS direkt an die Verbraucher. So kann die Ladeleistung einer Wallbox gedrosselt oder der Start der Wärmepumpe verschoben werden.
Diese vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) standardisierte Architektur stellt sicher, dass das Lastmanagement nicht nur effizient, sondern auch manipulationssicher und datenschutzkonform abläuft.
So funktioniert intelligentes Lastmanagement in der Praxis
Die Theorie klingt komplex, doch in der Praxis sorgt das System für einen reibungslosen und automatisierten Ablauf, der den Komfort für die Bewohner sogar erhöht.
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Ab 1.299,00 €Szenario 1: Dynamisches Laden von Elektroautos
Mehrere Bewohner möchten ihre Fahrzeuge laden. Über eine App oder ein Display geben sie an, bis wann ihr Auto welche Reichweite benötigt.
- Bewohner A muss morgens um 7:00 Uhr zu einem wichtigen Termin und benötigt eine volle Ladung.
- Bewohner B ist am nächsten Tag nur im Homeoffice und benötigt bis zum Abend lediglich eine Teilladung.
Das Energiemanagementsystem priorisiert daraufhin die Ladung für Bewohner A und nutzt dafür primär den überschüssigen Solarstrom vom Dach. Reicht die Sonne nicht aus, um das Ladeziel rechtzeitig zu erreichen, wird gezielt günstiger Netzstrom bezogen, etwa aus einem dynamischen Stromtarif. Das Fahrzeug von Bewohner B wird hingegen nur geladen, wenn Solarstrom im Überfluss vorhanden ist. So wird die Kombination von Elektroauto und Photovoltaik voll ausgeschöpft, ohne den Hausanschluss zu überlasten.
Szenario 2: Optimierung der Wärmepumpe
Besonders effizient ist der Betrieb einer modernen Wärmepumpe mit Photovoltaik. Das EMS kennt die Wettervorhersage und berücksichtigt, dass zur Mittagszeit die höchste Solarstromproduktion zu erwarten ist. Anstatt die Wärmepumpe erst am Abend zu starten, wenn der Wärmebedarf steigt, nutzt das System die Mittagsspitze, um den Wärmespeicher des Hauses auf eine höhere Temperatur als üblich aufzuheizen. Diese gespeicherte Energie wird dann am Abend abgerufen, sodass die Wärmepumpe in den teuren Abendstunden gar nicht oder nur mit geringer Leistung laufen muss.
Szenario 3: Netzstabilisierung gemäß §14a EnWG
Seit Anfang 2024 können Netzbetreiber bei drohender Überlastung die Leistung von Wallboxen oder Wärmepumpen vorübergehend drosseln (§14a Energiewirtschaftsgesetz). Ein intelligentes Lastmanagement bietet hier einen entscheidenden Vorteil: Es kann proaktiv handeln und den Eigenverbrauch so steuern, dass eine solche externe Drosselung oft gar nicht erst notwendig wird. Das System sorgt von sich aus für einen netzfreundlichen Betrieb und maximiert gleichzeitig Ihre Autarkie.
Die Vorteile auf einen Blick
Ein professionell eingerichtetes Lastmanagement bietet handfeste Vorteile für Eigentümer und Bewohner:
- Maximierter Eigenverbrauch: Der Anteil des selbst genutzten Solarstroms lässt sich signifikant steigern, was die Stromrechnungen aller Haushalte senkt. In der Praxis kann der Eigenverbrauchsanteil in Mehrfamilienhäusern von rund 30 % auf über 60 % verdoppelt werden.
- Vermeidung von Lastspitzen: Teure Leistungspreise des Energieversorgers werden vermieden, und eine kostspielige Erweiterung des Netzanschlusses entfällt oft.
- Gerechte Kostenverteilung: Die exakte Messung jedes einzelnen Verbrauchers ermöglicht eine transparente und faire Abrechnung des Solarstroms unter den Bewohnern.
- Zukunftssicherheit: Das System ist skalierbar und kann künftig um weitere Verbraucher wie Batteriespeicher oder neue Haushaltsgeräte erweitert werden.
- Erhöhter Immobilienwert: Ein Gebäude mit PV-Anlage und intelligentem Energiemanagement ist für Mieter und Käufer attraktiver.
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6.299,00 €Häufige Fragen zum Lastmanagement (FAQ)
Welche technischen Voraussetzungen benötigt mein Gebäude?
Sie benötigen eine ausreichend dimensionierte Photovoltaikanlage, ein intelligentes Messsystem mit Smart Meter Gateways für jede Partei sowie steuerbare Verbraucher wie Wallboxen oder Wärmepumpen, die über eine standardisierte Schnittstelle (z. B. Modbus, EEBUS) mit dem Energiemanagementsystem kommunizieren können.
Ist die Installation eines solchen Systems teuer?
Die Anfangsinvestition ist höher als bei einer einfachen PV-Anlage. Die langfristigen Einsparungen durch den maximierten Eigenverbrauch und die vermiedenen Netzentgelte amortisieren die Kosten jedoch über die Jahre, sodass sich die Investition in der Regel rechnet.
Verliere ich die Kontrolle über meine Geräte?
Nein, ganz im Gegenteil. Sie geben dem System die Rahmenbedingungen vor, zum Beispiel „Auto muss bis 7 Uhr voll sein“. Innerhalb dieser Vorgaben optimiert das System den Energiefluss automatisch. Sie können die Prioritäten jederzeit anpassen und behalten die volle Kontrolle.
Was ist der Unterschied zwischen statischem und dynamischem Lastmanagement?
Statisches Lastmanagement verteilt die verfügbare Leistung einfach gleichmäßig auf alle aktiven Verbraucher, sodass beispielsweise drei E-Autos alle mit gedrosselter Leistung laden. Dynamisches Lastmanagement ist intelligenter: Es berücksichtigt Prioritäten, den Ladezustand und die Solarstromproduktion, um die Energieverteilung in Echtzeit zu optimieren.
Können auch Bestandsgebäude nachgerüstet werden?
Ja, eine Nachrüstung ist in den meisten Fällen möglich. Der Aufwand hängt vom Zustand der bestehenden Elektroinstallation ab. Eine Beratung durch einen Fachbetrieb ist hierfür essenziell.
Ihr Weg zum intelligenten Stromverbrauch
Die Kombination aus Photovoltaik und Elektromobilität im Mehrfamilienhaus ist kein Zukunftstraum mehr, sondern gelebte Realität. Der Schlüssel zum Erfolg liegt jedoch nicht allein in der Erzeugung von Solarstrom, sondern in seiner intelligenten Verteilung. Ein durchdachtes Lastmanagement auf Basis von Smart Metern ist die technologische Antwort auf die Herausforderungen der Energiewende im Gebäudesektor. Es verwandelt ein Haus von einer Ansammlung passiver Verbraucher in ein aktives, optimiertes Kleinkraftwerk.
Wenn Sie tiefer in die Planung und die spezifischen Anforderungen für Photovoltaik für Mehrfamilienhäuser einsteigen möchten, bietet Photovoltaik.info umfassende und praxisnahe Informationen. Im Shop von Photovoltaik.info finden Sie zudem Komponenten und Komplettsets, die für den Aufbau eines intelligenten Energiemanagementsystems aufeinander abgestimmt sind.



