Sie haben in eine Photovoltaikanlage investiert, um unabhängiger zu werden und Ihren eigenen, sauberen Strom zu erzeugen – ein ausgezeichneter Schritt. Doch was passiert, wenn an einem sonnigen Mittag Ihre Anlage mehr Energie produziert, als das öffentliche Stromnetz in Ihrer Umgebung sicher aufnehmen kann?
Genau hier kommt das Einspeisemanagement ins Spiel: eine gesetzliche Regelung, die für ein stabiles Stromnetz sorgt und die Sie als Anlagenbetreiber kennen müssen.
Was ist Einspeisemanagement und warum ist es notwendig?
Stellen Sie sich das Stromnetz wie ein Wassernetz vor. Wenn zu viele Quellen gleichzeitig zu viel Wasser einspeisen, steigt der Druck, und das System kann überlastet werden. Mit dem Stromnetz verhält es sich ähnlich: An sonnigen Tagen produzieren Tausende von Photovoltaikanlagen gleichzeitig Strom. Diese geballte Energieeinspeisung kann lokale Netze an ihre Grenzen bringen und im schlimmsten Fall zu Stromausfällen führen.
Um diese Netzüberlastung zu verhindern, wurde im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) das Einspeisemanagement verankert. Es verpflichtet Netzbetreiber, die Einspeiseleistung von Anlagen bei Bedarf zu reduzieren (abzuregeln). Für Sie als Betreiber einer Photovoltaikanlage bedeutet das: Sie müssen eine von zwei technischen Vorkehrungen treffen, um diese Vorgabe zu erfüllen.
Ihre gesetzlichen Pflichten: Die zwei Optionen des Einspeisemanagements
Für die meisten Photovoltaikanlagen im Eigenheimbereich (bis zu einer Leistung von 25 kWp) gibt Ihnen der Gesetzgeber zwei Möglichkeiten an die Hand, um die Anforderungen des Einspeisemanagements zu erfüllen. Die Entscheidung für eine der beiden Optionen treffen Sie in der Regel vor der Installation gemeinsam mit Ihrem Fachbetrieb.
Option 1: Die statische Begrenzung (70-Prozent-Regel)
Die einfachste und am weitesten verbreitete Methode ist die sogenannte 70-Prozent-Regelung.
So funktioniert es: Ihr Wechselrichter wird dauerhaft so eingestellt, dass er maximal 70 % der Nennleistung Ihrer PV-Module (kWp) in das öffentliche Netz einspeist.
- Praxisbeispiel: Sie haben eine Anlage mit einer Leistung von 10 Kilowattpeak (kWp) auf dem Dach. Mit der 70-Prozent-Regel wird der Wechselrichter so konfiguriert, dass er zu keinem Zeitpunkt mehr als 7 Kilowatt (kW) Strom an das Netz abgibt.
Viele Interessenten befürchten hier hohe Ertragsverluste. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass diese Sorge meist unbegründet ist. Eine Photovoltaikanlage erreicht ihre absolute Maximalleistung nur an wenigen Stunden im Jahr – typischerweise an kühlen, sonnigen Tagen um die Mittagszeit. Studien und Praxisdaten belegen, dass der jährliche Energieverlust durch die 70-Prozent-Regelung meist nur zwischen 1 % und 3 % liegt. Dieser geringe Verlust wird oft dadurch ausgeglichen, dass Sie auf teurere Steuerungstechnik verzichten können.
Der große Vorteil dieser Lösung: Sie ist einfach umzusetzen und erfordert keine zusätzliche Kommunikationstechnik zwischen Ihnen und dem Netzbetreiber.
Option 2: Die dynamische Begrenzung (Fernsteuerbarkeit)
Die Alternative zur starren 70-Prozent-Kappung ist die dynamische Steuerung durch den Netzbetreiber.
So funktioniert es: Ihre Anlage wird mit einer technischen Schnittstelle ausgestattet, zum Beispiel einem Funkrundsteuerempfänger. Dieser ermöglicht es dem Netzbetreiber, die Einspeiseleistung Ihrer Anlage bei einer drohenden Netzüberlastung ferngesteuert zu drosseln.
- Praxisbeispiel: An einem Sonntagmittag mit extrem viel Sonnenschein meldet das lokale Netz eine Überlastung. Der Netzbetreiber sendet ein Signal an Ihre Anlage, die Einspeisung für 30 Minuten von 100 % auf 60 % zu reduzieren. Sobald die Netzstabilität wiederhergestellt ist, wird Ihre Anlage automatisch wieder freigegeben und kann mit voller Leistung einspeisen.
Theoretisch können Sie mit dieser Methode höhere Erträge erzielen, da Ihre Anlage die meiste Zeit des Jahres mit 100 % Leistung einspeisen darf. In der Praxis sind die Eingriffe des Netzbetreibers selten, aber möglich. Allerdings sind mit dieser Option zusätzliche Kosten für die Installation und Wartung der Steuerungstechnik verbunden. Wichtig ist daher, dass der von Ihnen gewählte Wechselrichter für Photovoltaikanlagen für eine solche Fernsteuerung vorbereitet ist.
70-Prozent-Regel oder Fernsteuerung – Was ist die bessere Wahl?
Die Entscheidung hängt von der Anlagengröße und Ihrer persönlichen Präferenz ab.
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Für Anlagen bis ca. 10 kWp: Die Erfahrung zeigt, dass sich die meisten Betreiber von privaten Anlagen in dieser Größenordnung für die einfachere 70-Prozent-Regelung entscheiden. Der finanzielle Mehraufwand für die Fernsteuerungstechnik rechnet sich angesichts der minimalen Ertragsverluste durch die Kappung meist nicht.
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Für größere Anlagen (über 10 kWp): Hier kann sich eine genauere Berechnung lohnen. Wenn Sie ein sehr großes Dach haben und den Ertrag maximieren möchten, könnte die Fernsteuerbarkeit die wirtschaftlichere Option sein.
Hilfreich ist bei der Entscheidung auch eine genaue Analyse Ihres Verbrauchsverhaltens. Diese ist ohnehin ein zentraler Bestandteil, wenn Sie eine Photovoltaikanlage planen. Denn Strom, den Sie direkt selbst verbrauchen (z. B. für Wärmepumpe oder E-Auto), fällt nicht unter die Abregelung.
Anmeldung und technische Umsetzung: Worauf müssen Sie achten?
Die gute Nachricht vorweg: Sie müssen sich um die technischen Details der Umsetzung in der Regel nicht selbst kümmern. Die korrekte Konfiguration des Wechselrichters übernimmt Ihr Installationsbetrieb.
Dennoch gibt es administrative Schritte, die wichtig sind:
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Anmeldung beim Netzbetreiber: Vor der Inbetriebnahme meldet Ihr Installateur die Anlage beim zuständigen Netzbetreiber an und teilt diesem mit, für welche der beiden Management-Optionen Sie sich entschieden haben.
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Marktstammdatenregister: Sie sind gesetzlich verpflichtet, Ihre Anlage bei der Bundesnetzagentur im Marktstammdatenregister zu registrieren.
Vergessen Sie bei der administrativen Abwicklung nicht, sich auch über aktuelle Zuschüsse zu informieren. Ein Blick in die verfügbare Photovoltaik Förderung kann sich zusätzlich lohnen.
Wichtige Neuerung: Entfall der 70-Prozent-Regel für Neuanlagen
Mit dem EEG 2023 gab es eine entscheidende Änderung, die vor allem für Betreiber von Neuanlagen relevant ist. Für alle Neuanlagen mit einer Leistung bis 25 kWp, die nach dem 1. Januar 2023 in Betrieb genommen wurden, entfällt die Pflicht zur Wirkleistungsbegrenzung.
Voraussetzung ist in der Regel der Einbau eines intelligenten Messsystems (Smart Meter). Dieses ermöglicht dem Netzbetreiber eine viel genauere Steuerung, wodurch die pauschale 70-Prozent-Kappung überflüssig wird. Für Bestandsanlagen gelten die alten Regeln jedoch weiterhin.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Einspeisemanagement
Gilt das Einspeisemanagement für jede Anlage?
Ja, grundsätzlich gilt es für alle netzgekoppelten Anlagen, die unter das EEG fallen. Ausnahmen gibt es nur für sehr kleine Anlagen (z. B. Balkonkraftwerke unter der Bagatellgrenze) oder Inselanlagen ohne Netzanschluss.
Verliere ich durch die 70-Prozent-Regel wirklich viel Geld?
Nein, in den allermeisten Fällen nicht. Der finanzielle Verlust durch die abgeregelte Energie liegt typischerweise deutlich unter den Mehrkosten, die für eine fernsteuerbare Anlage anfallen würden.
Kann ich die abgeregelte Energie selbst nutzen?
Ja, und das ist ein entscheidender Punkt! Die 70-Prozent-Regel begrenzt nur die Einspeisung ins Netz. Produziert Ihre Anlage mehr Strom (etwa 8 kW bei einer auf 7 kW begrenzten 10-kWp-Anlage), können Sie die überschüssige Energie uneingeschränkt im eigenen Haushalt verbrauchen – zum Beispiel zum Laden Ihres Elektroautos oder zum Betrieb einer Wärmepumpe.
Was passiert, wenn ich mich nicht an die Vorgaben halte?
Eine Nichteinhaltung der gesetzlichen Pflichten kann zum Verlust des Anspruchs auf die Einspeisevergütung führen. Die korrekte Einrichtung durch einen Fachbetrieb ist daher unerlässlich.
Wer stellt die 70-Prozent-Begrenzung am Wechselrichter ein?
Das ist ausschließlich die Aufgabe eines zertifizierten Elektroinstallateurs im Rahmen der Inbetriebnahme Ihrer Photovoltaikanlage. Er dokumentiert die Einstellung auch gegenüber dem Netzbetreiber.
Fazit: Einspeisemanagement als wichtiger Baustein der Energiewende
Das Einspeisemanagement ist keine Schikane für Anlagenbetreiber, sondern ein notwendiges Instrument, um die Stabilität unseres Stromnetzes bei einem stetig wachsenden Anteil erneuerbarer Energien zu gewährleisten. Für die meisten Eigenheimbesitzer ist die einfache und kostengünstige 70-Prozent-Regelung die pragmatischste Lösung. Dank der Neuregelungen im EEG 2023 wird das Thema für Neuanlagen zukünftig sogar noch einfacher.
Möchten Sie Ihre individuelle Situation besser einschätzen? Dann nehmen Sie gern Kontakt mit uns auf. Im Shop von Photovoltaik.info finden Sie zudem Komplettsets, die auf typische Anlagengrößen abgestimmt sind und die aktuellen technischen Anforderungen erfüllen.