Dacheignung für Photovoltaik: Der Leitfaden für Eigentümergemeinschaften

In vielen Eigentümerversammlungen kommt das Thema auf: Könnten wir nicht das große, ungenutzte Dach unseres Hauses für eine Photovoltaikanlage nutzen und gemeinsam von günstigerem Strom profitieren? Oft versandet diese Idee jedoch schnell in Diskussionen über Kosten, Gerechtigkeit und scheinbar unüberwindbare rechtliche Hürden. Was viele Eigentümer nicht wissen: Eine Gesetzesreform hat den Weg für Solaranlagen auf Mehrfamilienhäusern deutlich einfacher gemacht. Dieser Beitrag zeigt, auf welche technischen und rechtlichen Schritte es bei der Umsetzung ankommt.
Die Ausgangslage: Warum Photovoltaik für Mehrfamilienhäuser oft komplexer ist
Während der Eigentümer eines Einfamilienhauses allein entscheidet, gehört das Dach eines Mehrfamilienhauses der gesamten Eigentümergemeinschaft (WEG). Es ist Gemeinschaftseigentum, weshalb keine einzelne Partei im Alleingang eine Anlage installieren kann. Jede bauliche Veränderung erfordert eine gemeinsame Entscheidung und eine klare Regelung, wie Kosten und Nutzen aufgeteilt werden. Genau hier lagen die traditionellen Hürden, für die es heute jedoch bewährte Lösungen gibt.
Der technische Check: Ist Ihr Dach bereit für die Energiewende?
Bevor Sie über rechtliche Details und Betreibermodelle diskutieren, muss als Erstes die grundlegende Eignung des Daches geklärt werden. Ohne eine solide technische Basis ist jedes weitere Vorhaben zum Scheitern verurteilt.
Statik und Zustand: Das Fundament für Ihre Anlage
Eine Photovoltaikanlage bringt zusätzliches Gewicht auf das Dach. Moderne Solarmodule wiegen etwa 15 bis 20 kg pro Quadratmeter, hinzu kommt die Unterkonstruktion. Bei einer typischen Dachanlage von 100 m² summiert sich das schnell auf 1,5 bis 2 Tonnen.
- Statikprüfung: Besonders bei Gebäuden, die vor 1980 errichtet wurden, ist eine Prüfung durch einen Statiker unerlässlich. Er stellt fest, ob die Dachkonstruktion die zusätzliche Last sicher tragen kann. Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Dächer ausreichend dimensioniert sind, eine Prüfung sorgt jedoch für rechtliche Sicherheit.
- Dachzustand: Steht in den nächsten Jahren eine Sanierung des Daches an? Dann ist jetzt der perfekte Zeitpunkt, diese mit der Installation einer PV-Anlage zu kombinieren. Eine Anlage auf ein sanierungsbedürftiges Dach zu bauen, führt später zu doppelten Kosten, da die Module für die Dacharbeiten demontiert werden müssen.
Praxisbeispiel: Eine WEG in einem Gebäude aus den 1970er-Jahren stellte fest, dass die Dachabdichtung in den nächsten fünf Jahren erneuert werden musste. Sie beschloss, die Sanierung vorzuziehen und direkt mit der Montage einer PV-Anlage zu verbinden. Dadurch sparte die Gemeinschaft die separaten Kosten für das Gerüst und die Baustelleneinrichtung.
Aus unserem Shop, Kategorie: Balkonkraftwerke mit Speicher
Anker SOLIX Solarbank 3 E2700 Pro Balkonkraftwerk Speicher Set 1000 Watt 800 Watt - 2,7 kWh
Ab 1.299,00 €Dachfläche, Ausrichtung und Verschattung
Die ideale Südausrichtung ist heute kein Muss mehr. Moderne, leistungsstarke Module erzeugen auch bei einer Ost-West-Ausrichtung hohe Erträge. Wichtiger sind andere Faktoren:
- Verfügbare Fläche: Wie viel Platz steht nach Abzug von Schornsteinen, Dachfenstern, Lüftungsrohren und Antennen tatsächlich zur Verfügung?
- Verschattung: Hohe Nachbargebäude, große Bäume oder Gauben können Teile der Anlage zeitweise verschatten und den Ertrag mindern. Eine professionelle Planung berücksichtigt dies und optimiert die Modulanordnung, um Verluste zu minimieren.
Der Netzanschluss: Die Verbindung zur Außenwelt
Eine oft übersehene technische Hürde ist die Kapazität des Hausanschlusses. Eine große PV-Anlage speist bei Sonnenschein erhebliche Strommengen ins Netz ein oder versorgt das Haus. Der vorhandene Netzanschluss muss dieser Leistung auch gewachsen sein. Eine frühzeitige Abstimmung mit dem örtlichen Netzbetreiber ist daher unerlässlich.
Die rechtlichen Hürden: So navigieren Sie sicher durch die WEG-Beschlüsse
Die größte Herausforderung bei WEG Photovoltaik liegt in der gemeinsamen Entscheidungsfindung. Doch hier hat sich die Rechtslage entscheidend verbessert.
Die WEG-Reform 2020: Ein Meilenstein für die Solarenergie
Bis Ende 2020 war für bauliche Veränderungen wie die Installation einer PV-Anlage oft die Zustimmung aller Eigentümer notwendig. Ein einziger Gegner konnte das gesamte Projekt blockieren. Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) hat diese Hürde drastisch gesenkt.
Die Installation einer Photovoltaikanlage gilt nun als „privilegierte bauliche Veränderung“ (§ 20 Abs. 2 WEG). Konkret heißt das: Für den grundsätzlichen Beschluss, eine solche Anlage zu errichten, genügt eine einfache Mehrheit der in der Eigentümerversammlung anwesenden und vertretenen Stimmen.
Aus unserem Shop, Kategorie: PV Anlagen mit Speicher und Montagesets
20000 Watt Photovoltaikanlagen inkl. 20,00 kWh Batterie & Ziegeldach Montageset - Trina Bifazial
12.999,00 €Der richtige Beschluss: Was muss die Eigentümergemeinschaft entscheiden?
Obwohl die grundsätzliche Zustimmung vereinfacht wurde, müssen die Details zur Finanzierung und Nutzung klar geregelt sein. Hier sind unterschiedliche Mehrheiten erforderlich:
- Grundsatzbeschluss (einfache Mehrheit): Die WEG beschließt, dass eine PV-Anlage auf dem Dach installiert werden darf.
- Kostenverteilung:
- Tragen nur die Eigentümer die Kosten, die dem Projekt zugestimmt haben, reicht ebenfalls eine einfache Mehrheit. Diese Eigentümer profitieren dann auch exklusiv von der Anlage.
- Sollen alle Eigentümer die Kosten tragen, ist eine doppelt qualifizierte Mehrheit erforderlich: mehr als zwei Drittel der abgegebenen Stimmen und mehr als die Hälfte aller Miteigentumsanteile. Diese Regelung greift, wenn sich die Anschaffung – was bei PV-Anlagen in der Regel der Fall ist – innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisiert.
Eine sorgfältige Vorbereitung der Beschlussvorlage für die Eigentümerversammlung ist entscheidend, um spätere Unklarheiten oder gar Anfechtungen zu vermeiden.
Modelle für Betrieb und Nutzung: Wer profitiert wie vom Solarstrom?
Nachdem die technischen und rechtlichen Grundlagen geklärt sind, stellt sich die zentrale Frage: Was geschieht mit dem erzeugten Strom? In der Praxis haben sich dafür drei Hauptmodelle etabliert.
Modell 1: Die WEG als Betreiber (Gemeinschaftliche Eigenversorgung)
Die Eigentümergemeinschaft investiert gemeinsam in die Anlage, betreibt sie und wird damit selbst zum Stromerzeuger. Der erzeugte Strom wird direkt im Haus an die Bewohner verkauft (oft als Mieterstrom bezeichnet, auch wenn es die Eigentümer selbst sind). Nur der Überschuss wird ins öffentliche Netz eingespeist.
- Vorteil: Das größte finanzielle Potenzial. Die Gemeinschaft profitiert direkt von günstigen Strompreisen und den Einnahmen aus der Einspeisung.
- Nachteil: Höherer administrativer Aufwand. Die WEG muss Stromzähler ablesen, Rechnungen erstellen und buchhalterische Pflichten erfüllen.
Modell 2: Die Dachverpachtung an einen Dritten
Die WEG verpachtet ihre Dachfläche an einen externen Investor (z. B. Stadtwerke oder spezialisierte Dienstleister). Dieser übernimmt die gesamten Kosten für Planung, Installation und Betrieb der Anlage.
- Vorteil: Kein finanzieller Aufwand und kein Risiko für die WEG. Die Gemeinschaft erhält eine regelmäßige Pachtzahlung für die Nutzung ihres Daches. Oft können die Bewohner den Solarstrom zu vergünstigten Konditionen vom Betreiber beziehen.
- Nachteil: Der finanzielle Ertrag für die WEG ist geringer als beim Eigenbetrieb.
Modell 3: Einzelanlagen für einzelne Eigentümer
Theoretisch kann die Dachfläche aufgeteilt werden, sodass einzelne Eigentümer auf eigene Kosten kleine Anlagen für ihre Wohnung errichten. Voraussetzung ist, dass ihnen ein Sondernutzungsrecht für einen bestimmten Dachteil eingeräumt wird.
- Vorteil: Individuelle Freiheit für interessierte Eigentümer.
- Nachteil: In der Praxis oft schwer umsetzbar. Führt häufig zu Diskussionen über die gerechte Verteilung der besten Dachflächen und ist zudem technisch ineffizient, da die Gesamtfläche nicht optimal genutzt wird.
Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Gemeinschaften sich für das Modell der Dachverpachtung (geringer Aufwand) oder den gemeinsamen Betrieb (hoher Ertrag) entscheiden.
FAQ – Häufige Fragen zur Photovoltaik in Eigentümergemeinschaften
Was passiert, wenn ein Eigentümer nicht mitmachen will?
Dank der WEG-Reform muss er die Installation dulden, wenn die einfache Mehrheit dafür stimmt. Beteiligt er sich nicht an den Kosten, profitiert er jedoch auch nicht vom günstigen Solarstrom.
Wie werden Kosten und Gewinne fair verteilt?
Die Verteilung erfolgt in der Regel nach den Miteigentumsanteilen, die im Grundbuch festgelegt sind. Wer einen größeren Anteil am Gebäude besitzt, trägt mehr Kosten und erhält einen höheren Anteil am Ertrag.
Wer haftet bei Schäden am Dach?
Für Schäden während der Installation haftet das beauftragte Fachunternehmen. Die WEG sollte auf einen umfassenden Versicherungsschutz im Werkvertrag achten. Für den laufenden Betrieb empfiehlt sich der Abschluss einer Betreiberhaftpflicht- und einer Anlagenversicherung.
Wie lange dauert ein solches Projekt?
Von der ersten Idee bis zur Inbetriebnahme sollten Sie bei einer WEG realistisch mit 12 bis 18 Monaten rechnen. Die interne Entscheidungsfindung, die Einholung von Angeboten und die Abstimmung mit dem Netzbetreiber beanspruchen Zeit.
Fazit: Der Weg zum Solardach ist frei, aber gut geplant
Die Installation einer Photovoltaikanlage auf einem Mehrfamilienhaus ist heute einfacher als je zuvor. Die rechtlichen Hürden sind durch die WEG-Reform deutlich gesunken. Der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht mehr in der Überwindung rechtlicher Blockaden, sondern in einer transparenten Kommunikation und einer fairen Planung innerhalb der Gemeinschaft.
Ein gut vorbereitetes Projekt, das technische Gegebenheiten sorgfältig prüft und ein klares Betriebs- und Kostenmodell vorlegt, hat beste Chancen, die erforderliche Mehrheit zu finden und die Energiekosten für alle Bewohner nachhaltig zu senken.
Weitere praxisnahe Informationen zur Umsetzung von Photovoltaik auf dem Mehrfamilienhaus und zur Auswahl der richtigen Komponenten finden Sie direkt auf Photovoltaik.info.
Sie möchten Ihre individuelle Situation besser einschätzen? Nehmen Sie gern Kontakt mit uns auf.



