VDE-AR-N 4105: Was der Elektriker bei Ihrem Netzanschluss prüft

Ihre neue Photovoltaikanlage ist auf dem Dach montiert, die Sonne scheint und Sie sind bereit, Ihren eigenen Strom zu erzeugen. Doch bevor der Zähler rückwärtsläuft oder die Einspeisevergütung fließt, steht ein entscheidender Schritt an: die finale Prüfung und Inbetriebnahme durch einen zertifizierten Elektriker. Dieser geht nach dem strengen Regelwerk der VDE-Anwendungsregel VDE-AR-N 4105 vor.

Was für Laien wie eine bürokratische Hürde klingt, ist in Wahrheit das wichtigste Sicherheitsversprechen für Ihre Anlage und das gesamte Stromnetz. Man könnte diese Norm als den „TÜV für Ihr Kraftwerk“ bezeichnen, denn sie stellt sicher, dass Ihre Anlage nicht nur für Sie selbst sicher ist, sondern auch das öffentliche Netz nicht stört. In diesem Beitrag blicken wir dem Elektriker über die Schulter und erklären Ihnen verständlich, was bei dieser wichtigen Prüfung genau passiert.

Warum ist die VDE-AR-N 4105 so wichtig?

Stellen Sie sich das Stromnetz wie ein fein ausbalanciertes Ökosystem vor. Jede neue Erzeugungsanlage – ob eine große Photovoltaikanlage auf dem Dach, ein Speichersystem im Keller oder ein kleines Balkonkraftwerk – muss sich nahtlos in dieses System einfügen. Die VDE-AR-N 4105 schafft den verbindlichen Rahmen, der genau dies gewährleistet.

Sie erfüllt dabei drei zentrale Aufgaben:

  1. Sicherheit für Menschen und Technik: Die Regel stellt sicher, dass von Ihrer Anlage keine Gefahr durch Stromschläge oder Brände ausgeht.

  2. Stabilität des Stromnetzes: Sie verhindert, dass Ihre Anlage bei Störungen im Netz (z. B. Spannungsschwankungen) die Probleme verschlimmert oder sogar Stromausfälle verursacht. Dies ist bei Millionen von Anlagen in Deutschland von entscheidender Bedeutung.

  3. Voraussetzung für die Inbetriebnahme: Ohne eine nach dieser Norm protokollierte Prüfung darf Ihre Anlage nicht legal am öffentlichen Netz betrieben werden. Der Netzbetreiber verlangt diesen Nachweis.

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Die Erfahrung zeigt: Ein Verständnis für diese Prüfschritte stärkt das Vertrauen in die eigene Anlage enorm. So wissen Sie am Ende nicht nur, dass sie funktioniert, sondern auch, dass sie sicher ist.

Die Prüfung Schritt für Schritt: Ein Blick über die Schulter des Elektrikers

Die Inbetriebnahme ist kein willkürlicher Prozess. Der Elektriker folgt einem exakten Protokoll, um alle sicherheits- und netzrelevanten Punkte systematisch zu prüfen und zu messen.

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1. Die Sichtprüfung – Der erste Eindruck zählt

Noch bevor das erste Messgerät zum Einsatz kommt, führt der Fachmann eine gründliche Sichtprüfung durch. Ähnlich wie bei einem Pre-Flight-Check eines Piloten wird hier kontrolliert, ob alles korrekt und unbeschädigt verbaut wurde.

Dabei achtet der Elektriker unter anderem auf Folgendes:

  • Korrekte Installation: Sind alle Komponenten wie Wechselrichter, Solarmodule und Verkabelung fachgerecht und sicher montiert?

  • Beschriftung und Dokumentation: Sind alle notwendigen Warnhinweise und Anlagenschemata vorhanden und korrekt?

  • Leitungsquerschnitte: Wurden Kabel mit dem richtigen Durchmesser verwendet, um Überhitzung zu vermeiden?

  • Zählerschrank: Ist der Zählerschrank für den Betrieb mit einer Erzeugungsanlage korrekt vorbereitet und mit den richtigen Sicherungen ausgestattet?

Praxisbeispiel: Ein häufiger Fehler, der bei der Sichtprüfung auffällt, ist eine nicht vorschriftsmäßige Verlegung der Solarkabel auf dem Dach. Werden diese ohne ausreichenden Schutz vor Scheuern oder Witterung verlegt, kann dies über Jahre zu Isolationsschäden und gefährlichen Kurzschlüssen führen.

2. Messung der Schutzmaßnahmen – Sicherheit geht vor

In diesem Schritt wird mithilfe hochpräziser Messungen sichergestellt, dass Personen vor einem elektrischen Schlag geschützt sind.

Im Mittelpunkt stehen zwei wesentliche Messungen:

  • Isolationswiderstand: Der Elektriker misst den Widerstand zwischen den stromführenden Teilen (DC-Seite der Module) und der Erdung. Ein sehr hoher Widerstand, meist im Bereich von mehreren Megaohm, zeigt, dass die Isolation intakt ist. Ein niedriger Wert deutet auf einen Defekt hin, z. B. ein beschädigtes Kabel oder eingedrungene Feuchtigkeit.

  • Durchgängigkeit des Schutzleiters: Der Elektriker prüft, ob die Erdungsverbindung vom Modulgestell bis zum Haupt-Erdungsanschluss im Haus lückenlos ist. Diese Verbindung ist lebenswichtig, da sie im Fehlerfall dafür sorgt, dass der Strom sicher abgeleitet wird und die Sicherung sofort auslöst.

3. Prüfung des Netz- und Anlagenschutzes (NA-Schutz)

Dies ist das Herzstück der netztechnischen Prüfung. Der NA-Schutz ist eine im Wechselrichter integrierte Funktion, die das Stromnetz permanent überwacht. Er ist der Wächter, der Ihre Anlage im Notfall sofort vom Netz trennt.

Warum ist das so wichtig? Stellen Sie sich vor, in Ihrer Straße findet wegen Wartungsarbeiten eine geplante Stromabschaltung statt. Ohne einen funktionierenden NA-Schutz würde Ihre Anlage weiter Strom in den abgeschalteten Netzabschnitt einspeisen. Dies nennt man „unbeabsichtigten Inselbetrieb“ und wäre für die an der Leitung arbeitenden Monteure lebensgefährlich.

Daher wird die Reaktion des Wechselrichters gezielt geprüft:

  • Spannungs- und Frequenzgrenzen: Er simuliert, dass die Spannung oder Frequenz im Netz unzulässige Werte annimmt. Der Wechselrichter muss daraufhin innerhalb von Millisekunden abschalten. Eine typische Faustregel besagt, dass die Anlage bei Frequenzen unter 47,5 Hz oder über 51,5 Hz sofort vom Netz gehen muss.

  • Wiedereinschaltung: Nach einer Störung darf sich die Anlage nicht sofort wieder zuschalten. Sie muss eine definierte Wartezeit einhalten, oft einige Minuten, um sicherzustellen, dass das Netz wieder stabil ist.

4. Funktions- und Drehfeldprüfung

Zum Abschluss prüft der Elektriker die allgemeinen Funktionen. Bei dreiphasigen Anschlüssen, wie sie in den meisten Einfamilienhäusern üblich sind, ist die Prüfung des Drehfeldes entscheidend. Diese Prüfung stellt sicher, dass die Phasen in der korrekten Reihenfolge angeschlossen sind. Ein falsches Drehfeld könnte nicht nur die Einspeisung stören, sondern auch angeschlossene Motoren (z. B. in Wärmepumpen) beschädigen.

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Das Protokoll: Der offizielle Nachweis Ihrer konformen Anlage

Der Elektriker hält alle durchgeführten Prüfungen und gemessenen Werte sorgfältig in offiziellen Dokumenten fest. Die wichtigsten Dokumente sind hierbei:

  • Inbetriebsetzungsprotokoll (nach Anhang E.8 der VDE-AR-N 4105): Dieses Protokoll dokumentiert alle Messwerte (z. B. Isolationswiderstand) sowie die Ergebnisse der Funktionstests. Mit seiner Unterschrift bürgt der Elektriker für die Korrektheit.

  • Datenblatt für Erzeugungsanlagen: Dieses Formular fasst alle technischen Daten Ihrer Anlage zusammen und wird an den Netzbetreiber übermittelt.

Wichtiger Hinweis: Dieses Protokoll ist Ihr offizieller Nachweis gegenüber dem Netzbetreiber und Ihrer Versicherung, dass Ihre Anlage sicher und normgerecht installiert wurde. Bewahren Sie dieses Dokument sorgfältig zusammen mit den anderen Unterlagen Ihrer Anlage auf.

Häufige Fragen (FAQ) zur VDE-AR-N 4105

Gilt die VDE-AR-N 4105 auch für mein Balkonkraftwerk?

Ja, die technischen Grundprinzipien gelten auch hier. Bei zertifizierten Balkonkraftwerken ist der NA-Schutz bereits im Wechselrichter integriert und vom Hersteller geprüft. Die aufwendige Prüfung vor Ort durch einen Elektriker entfällt daher in der Regel, solange die Anlage korrekt angemeldet wird. Die Verantwortung für eine sichere Installation liegt jedoch beim Betreiber.

Was passiert, wenn bei der Prüfung ein Mangel festgestellt wird?

Stellt der Elektriker einen sicherheitsrelevanten Mangel fest, darf er die Anlage nicht in Betrieb nehmen. Der Fehler muss zuerst vom Installateur behoben werden. Erst nach einer erfolgreichen Nachprüfung darf die Anlage ans Netz. Dies dient ausschließlich Ihrer Sicherheit und der des Netzes.

Darf ich die Prüfung selbst durchführen?

Nein, definitiv nicht. Die Messungen und die Inbetriebnahme nach VDE-AR-N 4105 erfordern spezielle, kalibrierte Messgeräte und tiefgehendes Fachwissen. Sie dürfen nur von einer Elektrofachkraft durchgeführt werden, die bei einem Netzbetreiber eingetragen ist.

Wie lange dauert die Prüfung durch den Elektriker?

Für eine typische Anlage auf einem Einfamilienhaus können Sie für die gesamte Prozedur – von der finalen Verkabelung im Zählerschrank über die Messungen bis zum Ausfüllen der Protokolle – mit etwa zwei bis vier Stunden rechnen, sofern keine unvorhergesehenen Probleme auftreten.

Fazit: Mehr als nur eine Vorschrift

Die VDE-AR-N 4105 mag auf den ersten Blick komplex erscheinen, doch sie ist ein unverzichtbarer Baustein der Energiewende. Sie stellt sicher, dass die dezentrale Stromerzeugung aus Millionen von Photovoltaikanlagen sicher und zuverlässig funktioniert. Für Sie als Anlagenbetreiber ist die erfolgreiche Prüfung das finale Gütesiegel, das Ihnen bestätigt: Ihre Investition ist nicht nur ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch technisch einwandfrei und sicher.

Bei Photovoltaik.info legen wir Wert darauf, dass Sie nicht nur die Vorteile der Solarenergie verstehen, sondern auch die technischen Hintergründe, die für einen sicheren und langlebigen Betrieb entscheidend sind.

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