Ein Sommergewitter zieht auf. Für Besitzer einer Photovoltaikanlage ist das nicht nur ein Naturschauspiel, sondern wirft auch die Frage nach der Sicherheit der teuren Investition auf dem Dach auf. Was passiert bei einem Blitzeinschlag in der Nähe? Ist die Anlage ausreichend geschützt?
Die Vorschriften rund um den Überspannungsschutz sind oft unübersichtlich. Dieser Artikel schafft Klarheit, erklärt, welche Schutzmaßnahmen für Ihre Anlage wirklich notwendig sind und wann der Gesetzgeber sie vorschreibt.
Warum ist Überspannungsschutz überhaupt ein Thema?
Ein Blitz ist eine gewaltige Naturentladung. Mit bis zu 100 Millionen Volt und 200.000 Ampere stellt er eine erhebliche Gefahr dar. Allein im Jahr 2023 wurden in Deutschland rund 240.000 Blitzeinschläge registriert. Dabei muss der Blitz nicht einmal direkt in Ihr Haus einschlagen, um verheerende Schäden zu verursachen.
Man unterscheidet zwei Hauptgefahren:
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Direkter Blitzeinschlag: Der Blitz trifft das Gebäude oder die PV-Anlage direkt. Dies ist der seltenste, aber auch zerstörerischste Fall. Die Folgen reichen von Bränden bis zur vollständigen Zerstörung der Anlage und der Hauselektronik.
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Indirekter Blitzeinschlag (Überspannung): Ein Blitz schlägt in bis zu zwei Kilometern Entfernung ein. Die dabei entstehende elektromagnetische Welle induziert extreme Spannungsspitzen im Stromnetz. Diese Überspannungen breiten sich über die Leitungen aus und können empfindliche elektronische Bauteile zerstören.
Praxisbeispiel: Stellen Sie sich vor, ein Blitz schlägt 800 Meter von Ihrem Haus entfernt in einen Baum ein. Die dadurch verursachte Überspannung gelangt über die Stromleitungen in Ihr Haus. Ohne Schutz kann sie nicht nur den Wechselrichter Ihrer PV-Anlage (Kostenpunkt: ab 1.500 Euro) zerstören, sondern auch Ihren Fernseher, den Computer und die Steuerung Ihrer Wärmepumpe.
Viele Versicherer prüfen genau, ob die Anlage nach den geltenden Normen geschützt war, bevor sie einen Schaden regulieren. Eine passende Photovoltaik-Versicherung ist daher zwar unerlässlich, ersetzt aber nicht die notwendigen technischen Schutzmaßnahmen.
Äußerer und innerer Blitzschutz: Ein wichtiger Unterschied
Um die Anforderungen zu verstehen, ist es wichtig, zwischen zwei Schutzkonzepten zu unterscheiden: dem äußeren und dem inneren Blitzschutz.
Äußerer Blitzschutz
Dies ist das, was die meisten Menschen als ‘Blitzableiter’ kennen. Er besteht aus Fangeinrichtungen (Metallstäbe auf dem Dach), Ableitungen (Drähte an der Fassade) und einer Erdungsanlage. Seine Aufgabe ist es, einen direkten Blitzeinschlag sicher aufzufangen und in die Erde abzuleiten, um das Gebäude vor Brand und mechanischer Zerstörung zu schützen.

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Dieser schützt die elektrischen Geräte und Leitungen im Inneren des Hauses vor Überspannungen, die durch nahegelegene Blitzeinschläge oder auch durch Schalthandlungen im Stromnetz entstehen. Dafür sorgen spezielle Bauteile, sogenannte Überspannungsschutzgeräte (SPDs).
Für die meisten Besitzer von Photovoltaikanlagen ist vor allem der innere Blitzschutz relevant und gesetzlich vorgeschrieben.
Der äußere Blitzschutz: Selten Pflicht, aber manchmal unverzichtbar
Ein kompletter äußerer Blitzschutz ist für ein Standard-Einfamilienhaus in der Regel nicht gesetzlich vorgeschrieben. Eine Pflicht kann jedoch bestehen, wenn:
- das Gebäude besonders exponiert liegt (z. B. auf einem Hügel),
- es sich um ein öffentliches Gebäude handelt (Schule, Krankenhaus),
- die Bauordnung des jeweiligen Bundeslandes dies für bestimmte Gebäudetypen vorschreibt,
- das Gebäude eine leicht brennbare Dachhaut hat (z. B. Reet oder Holz).
Ob ein äußerer Blitzschutz für Ihr Gebäude erforderlich ist, ermittelt ein Fachbetrieb für Blitzschutzsysteme anhand einer Risikoanalyse nach Norm VDE 0185-305-3.
Typisches Szenario: Ein freistehendes Bauernhaus in offener Feldlage hat ein deutlich höheres Risiko für einen direkten Einschlag als ein Reihenmittelhaus in einer dichten städtischen Siedlung. Für Ersteres wäre ein äußerer Blitzschutz sehr empfehlenswert oder sogar vorgeschrieben.
Der innere Überspannungsschutz: Hier wird es für die meisten relevant
Hier liegt der Kern der gesetzlichen Anforderungen für PV-Anlagen. Seit Oktober 2018 sind die Normen VDE 0100-443 und VDE 0100-534 in Kraft. Vereinfacht gesagt, schreiben diese Normen einen Überspannungsschutz für fast alle neuen Gebäude und größeren Umbauten vor.
Für PV-Anlagen bedeutet das in der Praxis: Ein innerer Überspannungsschutz ist bei Neuinstallationen fast immer Pflicht.
Warum? Eine PV-Anlage ist direkt mit dem Hausnetz verbunden, in dem sich heutzutage zahlreiche empfindliche Geräte befinden (Computer, Smart-Home-Systeme, Ladestationen für E-Autos). Ein Ausfall hätte erhebliche wirtschaftliche Folgen. Der Schutz muss beide Seiten der Anlage umfassen:
- Die DC-Seite (Gleichstrom): die Leitungen zwischen den Solarmodulen auf dem Dach und dem Wechselrichter.
- Die AC-Seite (Wechselstrom): die Leitungen zwischen dem Wechselrichter und dem Zählerschrank bzw. dem Hausnetz.
Der Wechselrichter, das Herzstück Ihrer Anlage, wandelt den Gleichstrom der Module in nutzbaren Wechselstrom um. Da die Funktion des Wechselrichters so zentral ist, hat sein Schutz oberste Priorität.
Die Schutzklassen verstehen: SPD Typ 1, 2 und 3
Überspannungsschutzgeräte (Surge Protective Devices, SPDs) werden in verschiedene Typen eingeteilt. Man kann sie sich wie ein mehrstufiges Sicherheitssystem vorstellen:
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SPD Typ 1 (Grobschutz): Dies ist der ‘Türsteher’. Er wird am Gebäudeeintritt installiert und kann die enorme Energie eines direkten Blitzeinschlags ableiten. Er ist nur dann erforderlich, wenn ein äußerer Blitzschutz vorhanden ist.
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SPD Typ 2 (Mittelschutz): Dies ist der ‘Sicherheitsdienst im Haus’. Er schützt vor den übrigen Überspannungen, die durch indirekte Schläge oder Netzschwankungen entstehen. Dies ist der Standard-Überspannungsschutz, der für PV-Anlagen vorgeschrieben ist. Er wird im Zählerschrank (AC-seitig) und im Generatoranschlusskasten oder direkt im Wechselrichter (DC-seitig) verbaut.
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SPD Typ 3 (Feinschutz): Dies ist der ‘Bodyguard’ für besonders empfindliche Geräte. Meist handelt es sich um Steckdosenleisten oder Adapter mit integriertem Schutz, die direkt vor dem Fernseher, PC oder der Hi-Fi-Anlage zum Einsatz kommen.
Viele moderne Wechselrichter haben bereits einen SPD Typ 2 für die DC-Seite integriert. Der ebenfalls notwendige Schutz für die AC-Seite muss allerdings zusätzlich durch einen Elektriker im Zählerschrank installiert werden.

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Die gute Nachricht ist: Der vorgeschriebene innere Überspannungsschutz ist im Verhältnis zur Gesamtinvestition sehr erschwinglich.
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Innerer Überspannungsschutz (SPD Typ 2): Rechnen Sie mit Kosten zwischen 300 und 600 Euro inklusive Installation durch einen Fachbetrieb.
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Äußerer Blitzschutz: Ein komplettes System ist deutlich teurer und liegt je nach Gebäudegröße bei 2.000 bis über 5.000 Euro.
Diese Schutzmaßnahmen sollten als fester Bestandteil der Kosten einer Photovoltaikanlage betrachtet werden, denn sie sichern die Langlebigkeit und den reibungslosen Betrieb der gesamten Investition.
Besitzen Sie eine ältere Anlage, die vor 2018 installiert wurde? Eine gesetzliche Nachrüstpflicht besteht nicht. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Nachrüstung eine der sinnvollsten Investitionen in den Werterhalt Ihrer Anlage ist. Der finanzielle Aufwand ist gering im Vergleich zum potenziellen Schaden an Wechselrichter und Haushaltselektronik.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Überspannungsschutz
Ist Überspannungsschutz auch für kleine Anlagen wie Balkonkraftwerke nötig?
Für ein steckerfertiges Balkonkraftwerk gibt es keine explizite Pflicht für einen SPD Typ 2. Da diese Anlagen ebenfalls ans Hausnetz angeschlossen sind, ist ein Schutz dringend zu empfehlen. Eine einfache und wirksame Maßnahme ist die Verwendung einer hochwertigen Steckdosenleiste mit integriertem Überspannungsschutz (SPD Typ 3).
Mein Wechselrichter hat bereits einen integrierten Überspannungsschutz. Reicht das aus?
Ein integrierter SPD ist ein wichtiges Merkmal und deckt in der Regel die DC-Seite ab. Er ersetzt jedoch nicht den ebenfalls notwendigen Schutz auf der AC-Seite. Ein qualifizierter Installateur muss sicherstellen, dass auch im Zählerschrank ein passender SPD Typ 2 verbaut ist, um einen lückenlosen Schutz zu gewährleisten.
Übernimmt meine Versicherung den Schaden, wenn ich keinen Überspannungsschutz habe?
Das hängt stark von Ihrem Versicherungsvertrag ab. Bei Neuanlagen, die nach den geltenden Normen errichtet werden müssen, kann die Versicherung bei fehlendem vorgeschriebenem Schutz die Leistung kürzen oder sogar verweigern. Bei älteren Anlagen ist die Kulanz oft größer, aber auch hier gilt: Ein vorhandener Schutz verbessert Ihre Position im Schadensfall erheblich.
Wer installiert den Überspannungsschutz?
Die Installation von Überspannungsschutzgeräten im Zählerschrank oder am Wechselrichter gehört in die Hände von ausgebildeten Fachkräften. Sie darf ausschließlich von einem zertifizierten Elektriker oder dem Solarteur Ihrer Anlage durchgeführt werden.
Fazit: Eine kleine Investition in große Sicherheit
Der innere Überspannungsschutz (SPD Typ 2) ist für fast alle neu installierten Photovoltaikanlagen eine gesetzliche Pflicht. Er ist jedoch weit mehr als nur eine Vorschrift: Er ist eine entscheidende und kostengünstige Versicherung für Ihre gesamte Hauselektronik.
So schützen Sie nicht nur die teure PV-Anlage, sondern auch alle anderen empfindlichen Geräte im Haushalt vor den häufigsten elektrischen Gefahren. Ein äußerer Blitzschutz ist hingegen nur in speziellen Fällen erforderlich. Sprechen Sie Ihren Installateur gezielt auf dieses Thema an und stellen Sie sicher, dass Ihre Anlage umfassend geschützt ist – für einen sorgenfreien und langfristigen Ertrag.
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