Fassaden-Photovoltaik: Technische Normen und Besonderheiten (BIPV)

Während Solarmodule auf Dächern längst zum gewohnten Anblick gehören, eröffnet eine fortschrittliche Technologie neue gestalterische Horizonte: die gebäudeintegrierte Photovoltaik (BIPV)

Hierbei werden Solarmodule zu einem aktiven Bestandteil der Gebäudehülle und ersetzen klassische Fassadenelemente. Das Ergebnis ist eine saubere Energieerzeugung, die sich nahtlos in die Architektur einfügt. Dieser ästhetische Gewinn bringt jedoch besondere technische und rechtliche Anforderungen für Planer und Bauherren mit sich. Dass die Technologie an Bedeutung gewinnt, unterstreicht auch eine Prognose des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE: Allein der deutsche BIPV-Markt soll bis 2030 auf ein Volumen von 2,6 Milliarden Euro anwachsen.

Dieser Artikel beleuchtet die entscheidenden technischen Besonderheiten und Normen, die Sie bei der Planung einer Photovoltaik-Fassade kennen müssen.

Was ist gebäudeintegrierte Photovoltaik (BIPV) genau?

Bei der gebäudeintegrierten Photovoltaik (Building-Integrated Photovoltaics) werden Solarmodule nicht nachträglich auf eine bestehende Struktur montiert, sondern als integraler Bestandteil in die Gebäudehülle – also Dach oder Fassade – integriert. Sie erfüllen dabei mehrere Funktionen zugleich:

  • Energieerzeugung: Wie klassische PV-Module wandeln sie Sonnenlicht in elektrischen Strom um.
  • Bauteilfunktion: Sie dienen als Witterungsschutz, Wärme- und Schalldämmung oder als architektonisches Gestaltungselement.
  • Ästhetik: Dank einer wachsenden Vielfalt an Farben, Strukturen und Formaten ermöglichen sie eine anspruchsvolle und unauffällige Integration in das Gebäudedesign.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Anlagen, die oft als Fremdkörper wahrgenommen werden, verschmelzen Photovoltaik-Fassaden mit dem Gebäude zu einer funktionalen und optisch ansprechenden Einheit.

Die entscheidenden Unterschiede zur klassischen PV-Anlage

Obwohl das Grundprinzip der Stromerzeugung identisch ist, unterscheidet sich BIPV in wesentlichen Punkten von Standard-Aufdachanlagen. Die Erfahrung zeigt, dass diese Unterschiede in der Planungsphase oft unterschätzt werden.

Effizienz und Kosten

Fassadenmodule erreichen mit 17–19 % oft einen etwas geringeren Wirkungsgrad als hocheffiziente Aufdachmodule (20–22 %). Der Grund dafür sind meist Designentscheidungen wie farbige Gläser oder spezielle Oberflächenstrukturen, die zwar die Ästhetik verbessern, aber die Lichtausbeute minimal reduzieren.

Auch die Kosten liegen höher: Bei BIPV können Sie mit 300 bis 500 € pro Quadratmeter rechnen, während klassische Anlagen oft bei 150 bis 250 € pro Quadratmeter liegen. Dieser Preisunterschied relativiert sich jedoch, weil das BIPV-Modul gleichzeitig die Kosten für ein konventionelles Fassadenmaterial (z. B. Glas, Metall oder Steinplatten) einspart. Eine detaillierte Übersicht finden Sie in unserem Beitrag zu den Kosten einer Photovoltaikanlage.

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Praxisbeispiel: Modernes Bürogebäude

Ein Architekt plant ein vierstöckiges Bürogebäude mit einer vorgehängten Glasfassade. Statt passiver Glaselemente entscheidet er sich für semitransparente BIPV-Module. Diese erzeugen nicht nur Strom, sondern dienen gleichzeitig als Sonnenschutz und reduzieren den Kühlbedarf im Sommer. Die Mehrkosten für die BIPV-Elemente werden teilweise durch die Einsparung der sonst nötigen Sonnenschutzverglasung und externen Jalousien kompensiert.

Baurechtliche Anforderungen: Wenn das Modul zum Bauteil wird

Der entscheidende Unterschied zu klassischen Anlagen liegt im Baurecht: Während Aufdach-Anlagen in der Regel nicht als wesentlicher Teil des Gebäudes gelten, sind BIPV-Module „geregelte Bauprodukte“. Sie müssen daher die gleichen strengen Anforderungen an Sicherheit und Langlebigkeit erfüllen wie jedes andere Fassadenelement.

Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ)

Idealerweise verfügt das gewählte BIPV-System über eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt). Diese Zulassung bestätigt, dass das Produkt alle baurechtlichen Anforderungen erfüllt und ohne weitere Einzelnachweise verbaut werden darf. Viele Bauherren und Planer entscheiden sich für Systeme mit abZ, um den Planungs- und Genehmigungsprozess zu vereinfachen.

Zustimmung im Einzelfall (ZiE)

Für innovative oder maßgeschneiderte Lösungen ohne abZ ist hingegen eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) bei der obersten Bauaufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes nötig. Dieses Verfahren ist aufwendiger und verlangt detaillierte Nachweise zur Standsicherheit, zum Brandschutz und zur Dauerhaftigkeit.

Zusätzlich müssen die Module den mechanischen Belastungen durch Wind und Schnee standhalten, welche die Normenreihe Eurocode 1 (DIN EN 1991) definiert.

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Brandschutz: Die unsichtbare Herausforderung hinter der Fassade

Bei Fassaden hat der Brandschutz höchste Priorität. Da BIPV-Module elektrische Leitungen enthalten und Teil der Außenwand sind, gelten hier besonders strenge Vorschriften.

Ein zentrales Regelwerk ist die Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR). Sie regelt die sichere Führung von elektrischen Leitungen durch Bauteile, insbesondere in Flucht- und Rettungswegen. Die hinter der Fassade verlegten Solarkabel müssen so installiert werden, dass sie im Brandfall nicht zur schnellen Brandausbreitung beitragen.

Konkret bedeutet das für die Planung:

  • Materialwahl: Alle Komponenten der Unterkonstruktion und Kabelkanäle müssen mindestens der Baustoffklasse B1 („schwer entflammbar“) nach DIN 4102-1 entsprechen.
  • Kabelabschottung: Leitungsdurchführungen durch brandabschnittstrennende Wände müssen mit zertifizierten Brandschotts verschlossen werden.
  • Hinterlüftung: Der Spalt zwischen Dämmung und BIPV-Modul muss so gestaltet sein, dass ein Kamineffekt, der ein Feuer schnell nach oben ziehen würde, unterbunden wird.

Anwendungsszenario: Brandschutz in der Praxis

Bei einer mehrgeschossigen Wohnanlage mit BIPV-Fassade verlaufen die senkrechten Kabelstränge in speziellen, feuerfesten Installationsschächten. Horizontale Verbindungen zwischen den Modulen werden kurz gehalten und mit Kabeln realisiert, die eine geringe Brandlast aufweisen und im Brandfall keine toxischen Gase freisetzen.

Elektrische Sicherheit: Normen für den sicheren Betrieb

Eine BIPV-Anlage ist nicht nur ein Bauteil, sondern auch ein kleines Kraftwerk. Daher müssen alle relevanten elektrotechnischen Normen für Photovoltaikanlagen eingehalten werden.

Die beiden wichtigsten Normen sind:

  1. DIN VDE 0100-712: Diese Errichtungsnorm legt die Anforderungen für die gesamte elektrische Installation fest – von der Kabelverlegung über den Anschluss des Wechselrichters bis hin zu Schutzeinrichtungen gegen elektrischen Schlag und Überspannung.
  2. DIN EN 61730 (VDE 0126-5): Diese Produktnorm definiert die Sicherheitsanforderungen an das PV-Modul selbst. Sie stellt sicher, dass das Modul über seine gesamte Lebensdauer mechanisch stabil und elektrisch sicher ist, auch unter extremen Wetterbedingungen.

Eine fachgerechte Erdung der metallischen Unterkonstruktion und der Modulrahmen ist essenziell. Sie verhindert Personen- und Sachschäden durch Fehlerströme oder Blitzeinschläge.

Lohnt sich BIPV trotz der Hürden? Eine Abwägung

Gebäudeintegrierte Photovoltaik ist zweifellos eine anspruchsvolle Disziplin. Der höhere Planungsaufwand und die strengen regulatorischen Anforderungen erfordern spezialisiertes Fachwissen.

Die Vorteile liegen jedoch auf der Hand:

  • Überlegene Ästhetik: Perfekte Integration in die Architektur.
  • Multifunktionalität: Einsparung konventioneller Baumaterialien.
  • Wertsteigerung: Eine moderne BIPV-Fassade steigert den Wert und die Zukunftsfähigkeit einer Immobilie.
  • Flächennutzung: Aktivierung großer vertikaler Flächen zur Energiegewinnung, die sonst ungenutzt blieben.

Für Bauherren und Architekten, die Wert auf Design, Nachhaltigkeit und Innovation legen, ist BIPV eine zukunftsweisende Lösung. Auf der Plattform Photovoltaik.info finden Sie neutrale Fachinformationen, mit denen Sie die Potenziale für Ihr spezifisches Projekt fundiert bewerten können.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Benötigt jede BIPV-Fassade eine Einzelzulassung?

Nein. Wenn Sie ein System verwenden, das bereits eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) besitzt, ist keine zusätzliche Zustimmung im Einzelfall (ZiE) erforderlich. Die ZiE wird nur für Produkte oder Konstruktionen ohne abZ benötigt.

Sind BIPV-Module weniger langlebig als herkömmliche Fassaden?

Nein. Als geregeltes Bauprodukt müssen BIPV-Module die gleichen strengen Tests zur Dauerhaftigkeit und Witterungsbeständigkeit bestehen wie klassische Fassadenelemente. Die Herstellergarantien sind in der Regel vergleichbar.

Kann man BIPV mit einer Wärmedämmung kombinieren?

Ja, das ist sogar eine der größten Stärken von BIPV. Als vorgehängte hinterlüftete Fassade (VHF) lässt sich eine BIPV-Konstruktion ideal mit jeder Dämmstoffdicke kombinieren und trägt so maßgeblich zur Energieeffizienz des Gebäudes bei.

Gibt es BIPV auch für kleinere Projekte oder Privathäuser?

Absolut. Obwohl die Technologie bei großen Büro- und Gewerbebauten am weitesten verbreitet ist, gibt es auch zunehmend standardisierte und planungsfreundlichere Systeme für Ein- und Mehrfamilienhäuser. Für sehr kleine Anwendungen, etwa an Balkonbrüstungen, sind zudem Lösungen verfügbar, die technisch an die einfacheren Anforderungen von Balkonkraftwerken angelehnt sind.


Die Integration von Photovoltaik in die Fassade ist mehr als nur ein Trend – sie ist ein wichtiger Schritt hin zu energieautarken und ästhetisch ansprechenden Gebäuden. Eine sorgfältige Planung unter Berücksichtigung der baurechtlichen und technischen Normen ist der Schlüssel zum Erfolg.

Weitere praxisnahe Informationen zur Auswahl der richtigen Komponenten und zur Planung von PV-Anlagen finden Sie direkt auf Photovoltaik.info.

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OLEKSANDR PUSHKAR
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