Die Photovoltaikanlage ist auf dem Dach montiert, der Wechselrichter installiert, die Sonne scheint – doch der Stromzähler läuft noch nicht rückwärts. Der Netzanschluss lässt auf sich warten, weil der Netzbetreiber nicht reagiert. Dieses Szenario ist für viele angehende Anlagenbetreiber nicht nur frustrierend, sondern auch kostspielig. Doch Sie sind dem nicht hilflos ausgeliefert. Dieser Leitfaden zeigt Ihnen, welche Rechte Sie haben und wie Sie sich bei Verzögerungen effektiv zur Wehr setzen können.
Der Anmeldeprozess: Wer ist wofür verantwortlich?
Um zu verstehen, wo es haken kann, sollten Sie die Rollen der Beteiligten kennen. Dabei sind im Wesentlichen drei Parteien beteiligt:
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Sie als Anlagenbetreiber: Sie sind der Auftraggeber und zukünftige Betreiber der Anlage.
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Ihr Installateur: Er ist Ihr technischer Partner, der die Anlage plant, installiert und in der Regel die Kommunikation mit dem Netzbetreiber übernimmt.
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Der Netzbetreiber: Dies ist das Unternehmen, dem das lokale Stromnetz gehört. Es ist gesetzlich verpflichtet, Ihre Anlage ans Netz anzuschließen, und ist für den Zählerwechsel zuständig.
Im Normalfall reicht Ihr Installateur zunächst eine Netzanschlussanfrage beim Netzbetreiber ein. Dieser prüft die Anfrage und erteilt eine schriftliche Zusage. Erst danach erfolgt die Installation. Nach Fertigstellung meldet der Installateur die Inbetriebnahme, woraufhin der Netzbetreiber den Zähler tauschen und die Anlage offiziell freigeben muss.
Gesetzliche Fristen: So lange darf der Netzbetreiber brauchen
Viele Anlagenbetreiber wissen nicht, dass der Gesetzgeber klare Zeitfenster für den Netzanschluss vorgibt, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu fördern. Diese Fristen sind im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verankert und bilden Ihre wichtigste Argumentationsgrundlage.
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Frist für die Netzanschlusszusage: Nach Eingang aller vollständigen Unterlagen hat der Netzbetreiber acht Wochen Zeit, Ihnen einen Zeitplan für die Herstellung des Anschlusses mitzuteilen. Für Anlagen unter 30 kWp, was fast alle privaten Dachanlagen einschließt, gilt dieses vereinfachte Verfahren.
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Frist für den Zählerwechsel: Sobald Ihre Anlage betriebsbereit gemeldet ist, muss der Netzbetreiber den Anschluss innerhalb von vier Wochen realisieren, also in der Regel den Zähler austauschen.
Diese Fristen sind keine bloßen Richtwerte, sondern rechtlich bindend. Die Erfahrung zeigt: Eine freundliche, aber bestimmte Erinnerung an diese gesetzlichen Vorgaben reicht oft schon aus, um den Prozess zu beschleunigen.
Häufige Gründe für Verzögerungen durch den Netzbetreiber
Obwohl die Rechtslage klar ist, kommt es in der Praxis immer wieder zu Problemen. Die von Netzbetreibern genannten Gründe sind vielfältig:
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Unvollständige Unterlagen: Dies ist der häufigste Grund. Manchmal liegt der Fehler beim Installateur, manchmal sind die Anforderungen des Netzbetreibers unklar formuliert.
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Hohe Auslastung: Der Solar-Boom führt bei vielen Netzbetreibern zu einem Bearbeitungsstau. Personalmangel und ineffiziente Prozesse verschärfen die Situation zusätzlich.
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Notwendige Netzverstärkung: In seltenen Fällen kann es sein, dass das lokale Netz für die Einspeisung erst ertüchtigt werden muss. Dies darf den Anschluss aber nicht unbegrenzt verzögern.
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Fehlende Zähler: Lieferengpässe bei modernen Messeinrichtungen können ebenfalls zu Wartezeiten führen.
Ein typisches Alltagsszenario: Ein Eigenheimbesitzer hat eine 10-kWp-Anlage installieren lassen. Der Installateur hat alle Dokumente eingereicht, doch auch nach zehn Wochen liegt keine Netzanschlusszusage vor. Telefonische Nachfragen enden in der Warteschleife. Genau für solche Fälle ist es entscheidend, den gesamten Anmeldeprozess von Anfang an schriftlich zu dokumentieren. So haben Sie im Konfliktfall die nötigen Beweise zur Hand.
Ihr Fahrplan bei Verzögerungen: In 4 Schritten zum Ziel
Wenn der Netzbetreiber Fristen verstreichen lässt und nicht reagiert, sollten Sie systematisch vorgehen. Die folgende Eskalationsstrategie hat sich in der Praxis bewährt.
Schritt 1: Schriftliche Kontaktaufnahme und Fristsetzung
Verlassen Sie sich nicht auf mündliche Zusagen. Setzen Sie ein formelles Schreiben per E-Mail oder Einwurfeinschreiben auf. Beziehen Sie sich auf das Datum der Einreichung Ihrer Unterlagen und die abgelaufene gesetzliche Frist.
Formulierungsbeispiel:“Sehr geehrte Damen und Herren,
unser Installateur hat am [Datum] alle erforderlichen Unterlagen für den Netzanschluss unserer PV-Anlage [Anlagennummer/Standort] bei Ihnen eingereicht. Die gesetzliche Frist von acht Wochen gemäß § 8 EEG ist am [Datum] abgelaufen.
Wir fordern Sie hiermit auf, die Netzanschlusszusage unverzüglich zu erteilen und setzen Ihnen hierfür eine letzte Frist von 14 Tagen bis zum [Datum]. Sollte diese Frist ergebnislos verstreichen, sehen wir uns gezwungen, weitere Schritte einzuleiten.“
Schritt 2: Die Schlichtungsstelle Energie e.V. einschalten
Reagiert der Netzbetreiber weiterhin nicht, ist der nächste Schritt die Kontaktaufnahme mit der Schlichtungsstelle Energie e.V. in Berlin. Sie schlichtet außergerichtlich Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Energieversorgungsunternehmen.
Das Verfahren ist für Sie als Verbraucher kostenlos und oft sehr wirksam. Ein Schlichtungsantrag führt in der Regel dazu, dass der Netzbetreiber den Fall vorrangig behandelt, um ein offizielles Verfahren zu vermeiden.
Schritt 3: Die Bundesnetzagentur informieren
Die Bundesnetzagentur ist die Aufsichtsbehörde für die deutschen Stromnetze. Sie löst zwar nicht Ihren Einzelfall, sammelt aber Beschwerden über Netzbetreiber. Häufen sich die Meldungen über ein bestimmtes Unternehmen, kann die Behörde aufsichtsrechtliche Maßnahmen ergreifen. Eine Meldung erhöht den Druck und trägt zur Verbesserung der allgemeinen Situation bei.
Schritt 4: Rechtliche Schritte als letzte Option
Wenn alle bisherigen Schritte fehlschlagen, bleibt nur der Gang zum Anwalt. Ein auf Energierecht spezialisierter Jurist kann eine einstweilige Verfügung auf Anschluss an das Netz beantragen. Dies ist der wirksamste, aber auch teuerste Weg und sollte die letzte Eskalationsstufe sein.
Sonderfall Balkonkraftwerk: Gelten hier andere Regeln?
Für Balkonkraftwerke (Stecker-Solaranlagen) gibt es ein vereinfachtes Anmeldeverfahren. Sie müssen die Anlage lediglich im Marktstammdatenregister und beim Netzbetreiber anmelden. Eine Genehmigung ist nicht erforderlich.
Trotzdem kommt es vor, dass Netzbetreiber den Zählertausch verzögern. Auch hier gilt: Sie haben ein Recht auf einen zügigen Anschluss. Die oben genannten Schritte – insbesondere die schriftliche Fristsetzung – sind auch für Betreiber von Mini-PV-Anlagen anwendbar. Weitere Details zum Prozess finden Sie in unserem Ratgeber zur Anmeldung eines Balkonkraftwerks.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Darf ich meine Anlage schon vor der Zusage des Netzbetreibers in Betrieb nehmen?
Nein. Eine Inbetriebnahme ohne Freigabe durch den Netzbetreiber ist nicht gestattet. Insbesondere die Einspeisung von Strom in das öffentliche Netz kann Strafen und technische Probleme nach sich ziehen. Der Eigenverbrauch ohne Einspeisung ist technisch möglich, aber rechtlich eine Grauzone und daher nicht zu empfehlen.
Wer ist mein Ansprechpartner – der Installateur oder der Netzbetreiber?
Ihr erster Ansprechpartner ist immer Ihr Installateur, da er den Vertrag mit Ihnen hat und für die Anmeldung verantwortlich ist. Wenn Sie jedoch merken, dass er beim Netzbetreiber nicht weiterkommt, sollten Sie als Anlagenbetreiber selbst aktiv werden und die Kommunikation übernehmen.
Was kostet ein Schlichtungsverfahren bei der Schlichtungsstelle Energie e.V.?
Für private Verbraucher ist das Verfahren komplett kostenlos. Die Kosten werden von der Energiewirtschaft getragen.
Kann der Netzbetreiber den Anschluss meiner PV-Anlage komplett verweigern?
Nein, grundsätzlich besteht eine Anschlusspflicht. Eine Verweigerung ist nur in sehr seltenen, technisch fundiert begründeten Ausnahmefällen möglich, etwa wenn die Stabilität des Netzes nachweislich gefährdet wäre. In der Praxis kommt dies bei Dachanlagen für Einfamilienhäuser so gut wie nie vor.
Fazit: Handeln Sie informiert und bestimmt
Verzögerungen beim Netzanschluss sind ärgerlich, aber Sie sind keineswegs machtlos. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, Ihre Rechte zu kennen, den Prozess sauber zu dokumentieren und bei Fristüberschreitungen strukturiert zu eskalieren. Meist führt schon eine schriftliche Mahnung mit Fristsetzung zum gewünschten Ergebnis.
Auf Photovoltaik.info finden Sie weitere neutrale Fachinformationen, die Sie auf Ihrem Weg zur eigenen Solaranlage unterstützen.
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