Anlaufströme von Großverbrauchern: Wie plant man ein Inselsystem für Werkzeuge, Pumpen oder Klimaanlagen?
Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten in Ihrer autarken Gartenwerkstatt. Sie setzen die Kreissäge an, drücken den Schalter – und plötzlich ist alles dunkel. Der Strom ist weg.
Was nach einem Defekt aussieht, ist in Wahrheit oft ein Planungsfehler mit einem ganz bestimmten Namen: Anlaufstrom. Dieses Phänomen ist eine der größten Herausforderungen bei der Konzeption von Photovoltaik-Inselanlagen, die mehr als nur Beleuchtung und Kleingeräte versorgen sollen. Es entscheidet darüber, ob Ihr System im entscheidenden Moment zuverlässig funktioniert oder überlastet abschaltet.
Dieser Beitrag erklärt einfach und verständlich, was Anlaufströme sind, welche Geräte sie verursachen und wie Sie Insel-Wechselrichter und Batteriespeicher richtig dimensionieren, damit Ihre Werkzeuge, Pumpen und Klimaanlagen jederzeit reibungslos starten.
Inhaltsverzeichnis
Was genau ist ein Anlaufstrom und warum ist er eine Herausforderung?
Ein Anlaufstrom ist ein extrem hoher, aber sehr kurzer Stromimpuls, den ein elektrisches Gerät beim Einschalten benötigt. Man kann es sich wie das Anschieben eines schweren Wagens vorstellen: Der erste Ruck erfordert enorm viel Kraft; sobald der Wagen aber rollt, braucht es deutlich weniger. Ähnlich verhält es sich mit vielen Großverbrauchern.
Die Hauptverursacher sind sogenannte induktive Lasten. Dazu gehören praktisch alle Geräte mit einem starken Elektromotor:
- Werkzeuge: Kreissägen, Kompressoren, Schweißgeräte
- Pumpen: Brunnenpumpen, Poolpumpen, Hebeanlagen
- Klimageräte und Kühlschränke: Der Kompressor ist hier der entscheidende Faktor.
Dieser Einschaltstrom kann für wenige Millisekunden bis zu einigen Sekunden das 5- bis 15-fache des normalen Betriebsstroms (Nennstrom) betragen. Eine Pumpe, die im Dauerbetrieb 800 Watt benötigt, kann beim Start also kurzzeitig eine Leistungsspitze von 4.000 Watt oder mehr vom System abfordern. Für eine gewöhnliche Photovoltaik-Inselanlage ist das eine immense Belastung, die das gesamte System lahmlegen kann.

Viele Nutzer nehmen die Nennleistung ihrer Geräte als Planungsgrundlage und wundern sich dann, warum die Anlage nicht funktioniert. Entscheidend für den Erfolg ist jedoch das Verständnis der kurzzeitigen Spitzenlast.
Die Schlüsselkomponenten: Warum Wechselrichter und Batterie entscheidend sind
Um Anlaufströme zu bewältigen, kommt es auf zwei Komponenten an: den Wechselrichter und den Batteriespeicher. Beide müssen perfekt aufeinander abgestimmt sein, um die hohen Leistungsspitzen abzufangen.

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Der Wechselrichter: Das Herzstück Ihrer Inselanlage
Der Wechselrichter wandelt den Gleichstrom aus Ihrer Batterie in den 230-Volt-Wechselstrom um, den Ihre Geräte benötigen. Bei der Auswahl eines Insel-Wechselrichters müssen Sie auf zwei Kennzahlen achten:
- Nennleistung (Dauerleistung): Die Leistung, die der Wechselrichter dauerhaft bereitstellen kann.
- Spitzenleistung (Peak Power): Die maximale Leistung, die der Wechselrichter für wenige Sekunden liefern kann.
Für Verbraucher mit hohen Anlaufströmen ist die Spitzenleistung der entscheidende Wert. Während ein günstiger Wechselrichter mit 3.000 Watt Nennleistung eventuell nur 4.000 Watt Spitzenleistung liefert, schafft ein hochwertigeres Modell mit derselben Nennleistung vielleicht 6.000 Watt für einige Sekunden – und genau dieser Unterschied entscheidet, ob die Anlage funktioniert.
Praxisbeispiel: Ihre Brunnenpumpe benötigt im Betrieb 1.000 Watt. Ihr Anlaufstrom erzeugt jedoch eine Lastspitze von 4.500 Watt. Ein Wechselrichter mit 3.000 W Nennleistung und 4.000 W Spitzenleistung wird sofort abschalten. Sie benötigen ein Modell, dessen Spitzenleistung sicher über den 4.500 Watt liegt.
Der Batteriespeicher: Der stille Kraftprotz im Hintergrund
Doch selbst der stärkste Wechselrichter ist nutzlos, wenn die Batterie den extrem hohen Strom für die Lastspitze nicht schnell genug liefern kann. Der Stromspeicher muss in der Lage sein, diesen Strom für die Lastspitze abzugeben.
Hier kommt das Batterie-Management-System (BMS) ins Spiel. Das BMS ist die Schutzelektronik der Batterie. Es verhindert unter anderem eine zu hohe Stromentnahme, um die Batteriezellen zu schonen. Ist der maximale Entladestrom des BMS zu niedrig eingestellt, drosselt es die Stromabgabe, selbst wenn der Wechselrichter mehr anfordert. Die Folge ist dieselbe: Das System schaltet ab.
Alltagsszenario: Stellen Sie sich vor, Ihr Wechselrichter ist ein starker Motor und die Batterie der Tank. Das BMS ist in diesem Bild die Kraftstoffleitung. Ist die Leitung zu dünn (BMS mit niedrigem Entladestrom), kann der Motor seine volle Leistung nicht entfalten, auch wenn der Tank voll ist.
Viele Kunden, die ein autarkes Inselsystem planen, konzentrieren sich auf die Kapazität (kWh) des Speichers. Für den Betrieb von Großverbrauchern ist die maximale Entladeleistung (kW) jedoch mindestens ebenso wichtig.
Planung in der Praxis: So legen Sie Ihr System richtig aus
Eine zuverlässige Inselanlage für anspruchsvolle Verbraucher steht und fällt mit der sorgfältigen Planung.
Schritt 1: Bestandsaufnahme Ihrer Großverbraucher
Erstellen Sie eine Liste aller Geräte, die Sie mit Ihrer Anlage betreiben möchten, insbesondere der leistungsstarken. Notieren Sie die Nennleistung, die Sie üblicherweise auf dem Typenschild oder im Handbuch finden. Typische Kandidaten sind:
- Kreissäge oder Kappsäge
- Großer Werkstattkompressor
- Tauchpumpe oder Gartenpumpe
- Mobile Klimaanlage
- Schweißgerät

Schritt 2: Den Anlaufstrom ermitteln oder abschätzen
Der Anlaufstrom ist leider selten in den technischen Daten angegeben. Hier hilft eine Faustregel weiter: Multiplizieren Sie die Nennleistung des Geräts mit einem Faktor von 5 bis 7, um eine sichere Schätzung für die benötigte Spitzenleistung zu erhalten.
- Beispiel Kreissäge: 1.800 W Nennleistung × Faktor 6 = 10.800 W geschätzte Spitzenleistung.
- Beispiel Wasserpumpe: 750 W Nennleistung × Faktor 5 = 3.750 W geschätzte Spitzenleistung.
Diese Werte mögen extrem hoch erscheinen, spiegeln aber die Realität für wenige Augenblicke wider. Wer es ganz genau wissen möchte, kann den Anlaufstrom mit einer speziellen Strommesszange messen lassen.
Schritt 3: Die Komponenten passend dimensionieren
Mit den ermittelten Werten können Sie nun die Komponenten auswählen:
- Wechselrichter: Wählen Sie ein Modell, dessen Spitzenleistung über dem höchsten Anlaufstrom liegt, den Sie erwarten. Planen Sie einen kleinen Puffer ein.
- Batteriespeicher: Stellen Sie sicher, dass der maximale Entladestrom des BMS ausreicht, um die Spitzenleistung des Wechselrichters zu bedienen. Diese Information finden Sie im Datenblatt der Batterie.
Für besonders problematische Geräte gibt es zudem sogenannte Sanftanlaufgeräte. Diese werden vor das Gerät geschaltet und reduzieren die Stromspitze beim Start elektronisch. Das kann eine kostengünstige Alternative zu einem massiv überdimensionierten Wechselrichter sein.
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Häufige Fragen (FAQ) zu Anlaufströmen in Inselsystemen
Kann ich mehrere Großverbraucher gleichzeitig starten?
Nein, das sollten Sie unbedingt vermeiden. Die Anlaufströme würden sich addieren und selbst das stärkste System an seine Grenzen bringen. Starten Sie leistungsstarke Geräte immer nacheinander und mit einigen Sekunden Abstand.
Was passiert, wenn der Wechselrichter den Anlaufstrom nicht schafft?
Ein guter Wechselrichter schaltet zum Selbstschutz ab und unterbricht die Stromversorgung. Nachdem Sie das Gerät ausgeschaltet haben, können Sie den Wechselrichter in der Regel wieder einschalten. Es entsteht also meist kein dauerhafter Schaden, aber die Arbeit wird unterbrochen.
Sind alle Batterietechnologien gleich gut für hohe Anlaufströme geeignet?
Moderne Lithium-Eisenphosphat-Batterien (LFP) sind für ihre hohe Leistungsabgabe bekannt und eignen sich sehr gut. Entscheidend bleibt aber immer das jeweilige BMS des Herstellers. Ältere Blei-Säure-Batterien können bei sehr hohen Strömen Schwierigkeiten bekommen und ihre Lebensdauer kann darunter leiden.
Reicht es nicht, einfach einen viel größeren Wechselrichter zu kaufen?
Eine Überdimensionierung ist nicht immer die beste Lösung. Ein sehr großer Wechselrichter verbraucht auch im Leerlauf mehr Strom, was die Effizienz Ihres Gesamtsystems senkt. Eine ausgewogene Dimensionierung, die zu Ihrem Bedarf passt, ist wirtschaftlicher und technisch sinnvoller.
Hilft eine größere Photovoltaik-Anlage bei Anlaufströmen?
Nicht direkt. Die Energie für die kurzzeitige Lastspitze kommt aus dem Batteriespeicher und wird vom Wechselrichter bereitgestellt. Die Solarmodule laden die Batterie tagsüber auf, können den plötzlichen, hohen Bedarf im Millisekundenbereich aber nicht direkt decken.
Fazit: Vorausschauende Planung ist der Schlüssel zum Erfolg
Hohe Anlaufströme sind eine ernstzunehmende, aber beherrschbare Herausforderung für jede anspruchsvolle Photovoltaik-Inselanlage. Anstatt sich von einem Stromausfall überraschen zu lassen, können Sie mit dem richtigen Wissen Ihr System von Anfang an robust und zuverlässig auslegen.
Achten Sie bei der Auswahl des Wechselrichters nicht nur auf die Dauerleistung, sondern vor allem auf eine hohe Spitzenleistung. Prüfen Sie gleichzeitig, ob der gewählte Stromspeicher die geforderte Leistung auch liefern kann.
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