Direktvermarktung vs. Einspeisevergütung: Eine Rechenanleitung für Anlagen ab 10 kWp

Besitzer von Photovoltaikanlagen stehen oft vor einer wichtigen Entscheidung, die über Jahre hinweg die Rentabilität ihrer Investition beeinflusst: Soll der überschüssige Strom über die klassische Einspeisevergütung vergütet oder aktiv an der Strombörse verkauft werden? Während die Direktvermarktung lange Zeit nur für große Solarparks relevant war, ist sie durch gestiegene Marktpreise jetzt auch für größere Hausdachanlagen ab 10 kWp eine ernstzunehmende Alternative.
Dieser Beitrag bietet Ihnen eine verständliche Entscheidungshilfe. Wir erklären die Unterschiede, zeigen die entscheidenden Faktoren auf und führen Sie Schritt für Schritt durch eine Beispielrechnung, um die beste Option für Ihre Anlage zu finden.
Einspeisevergütung und Direktvermarktung einfach erklärt
Um eine fundierte Entscheidung treffen zu können, ist es wichtig, die beiden Modelle genau zu verstehen. Auf den ersten Blick wirken sie kompliziert, folgen aber einer klaren Logik.
Die klassische Einspeisevergütung (EEG)
Die Einspeisevergütung ist das traditionelle und einfachste Modell. Der Staat garantiert Ihnen über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) einen festen Preis für jede Kilowattstunde Strom, die Sie ins öffentliche Netz einspeisen. Diese Vergütung wird für 20 Jahre ab Inbetriebnahme der Anlage festgeschrieben.
- Vorteil: Sie genießen maximale Planungssicherheit und wissen genau, welche Einnahmen Sie für Ihren Überschussstrom über zwei Jahrzehnte erhalten. Zudem ist der administrative Aufwand minimal.
- Nachteil: Der festgelegte Satz liegt oft unter dem, was an der Strombörse für Strom gezahlt wird, sodass Sie nicht von hohen Marktpreisen profitieren.
Die genaue Höhe der EEG-Vergütung hängt von der Anlagengröße und dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme ab. Für eine typische Anlage im Segment von 10 bis 40 kWp liegt sie aktuell bei etwa 7–8 Cent pro kWh.
Die Direktvermarktung an der Strombörse
Bei der Direktvermarktung verkaufen Sie Ihren überschüssigen Strom nicht an den Netzbetreiber, sondern direkt an der Strombörse. Da dies für Privatpersonen zu aufwendig wäre, übernimmt ein spezialisierter Dienstleister, der sogenannte Direktvermarkter, diesen Prozess für Sie.
Der Preis, den Sie erhalten, ist nicht fix, sondern orientiert sich am stündlich schwankenden Börsenstrompreis, dem sogenannten „Marktwert Solar“.
- Vorteil: Sie haben die Chance auf höhere Einnahmen. Liegt der Börsenstrompreis über dem Satz der Einspeisevergütung, erzielen Sie einen Mehrerlös.
- Nachteil: Die Planungssicherheit ist geringer und der administrative Aufwand etwas höher. Zudem behält der Direktvermarkter eine Servicegebühr ein.
Ein wichtiger Sicherheitsmechanismus ist die Marktprämie: Fällt der Börsenstrompreis in einem Monat unter den garantierten Satz der Einspeisevergütung, gleicht der Staat die Differenz aus. Sie erhalten also mindestens den Betrag, den Sie auch bei der Einspeisevergütung bekommen hätten, abzüglich der Servicegebühr des Vermarkters. Das finanzielle Risiko ist dadurch sehr begrenzt.
Aus unserem Shop, Kategorie: Balkonkraftwerke mit Speicher
Anker Solix Solarbank 3 E2700
Bisher bei uns Ursprünglicher Preis war: 999,00 €799,00 €Aktueller Preis ist: 799,00 €.Ab wann lohnt sich der Wechsel in die Direktvermarktung?
Die entscheidende Frage ist, ob der potenzielle Mehrerlös die Kosten und den zusätzlichen Aufwand der Direktvermarktung rechtfertigt. Entscheidend für den Wechsel ist die Differenz zwischen dem Börsenstrompreis und der festen Einspeisevergütung. In den letzten Jahren hat sich hier eine deutliche Lücke zugunsten des Marktpreises aufgetan.
Die wichtigsten Faktoren für Ihre Entscheidung
Ob sich der Wechsel für Sie persönlich rechnet, hängt von drei zentralen Punkten ab:
- Ihre Anlagengröße: Die Direktvermarktung ist primär für Anlagen über 10 kWp interessant. Der Grund sind die Fixkosten des Direktvermarkters. Bei sehr kleinen Anlagen können diese Kosten den potenziellen Mehrerlös übersteigen. Als Faustregel gilt: Je größer die Anlage, desto eher lohnt sich die Direktvermarktung.
- Ihr Eigenverbrauchsanteil: Die Modelle beziehen sich nur auf den Strom, den Sie tatsächlich ins Netz einspeisen. Wenn Sie einen sehr hohen Eigenverbrauch haben, etwa durch ein E-Auto und eine Wärmepumpe, ist die eingespeiste Strommenge geringer. Dadurch sinkt auch der absolute Mehrerlös durch die Direktvermarktung.
- Die Kosten des Direktvermarkters: Die Anbieter verlangen eine Servicegebühr, die sich in der Regel nach der Anlagengröße richtet. Diese Kosten müssen Sie von Ihren Mehreinnahmen abziehen.
Schritt-für-Schritt: Rechnen Sie Ihren potenziellen Mehrerlös aus
Vergleichen wir die beiden Modelle anhand eines praxisnahen Beispiels.
Szenario: Ein Eigenheimbesitzer mit einer neuen 15-kWp-Anlage auf dem Dach.
- Jährliche Stromerzeugung: ca. 14.500 kWh (typischer Wert für diese Größe in Deutschland).
- Jährlicher Eigenverbrauch im Haushalt: 5.000 kWh.
- Jährliche Netzeinspeisung: 14.500 kWh – 5.000 kWh = 9.500 kWh.
Schritt 1: Berechnung der Einnahmen mit Einspeisevergütung
Dies ist die einfache Basisrechnung. Wir nehmen eine feste Einspeisevergütung von 8,1 Cent/kWh an, ein realistischer Wert für diese Anlagengröße bei Inbetriebnahme im Jahr 2024.
- Rechnung: 9.500 kWh (Einspeisung) × 0,081 €/kWh = 769,50 € pro Jahr
Mit der Einspeisevergütung würde der Anlagenbetreiber knapp 770 € pro Jahr für seinen überschüssigen Strom erhalten.
Aus unserem Shop, Kategorie: PV Anlagen mit Speicher und Montagesets
5000 Watt Photovoltaikanlagen inkl. 5,00 kWh Batterie & Ziegeldach Montageset - Trina Bifazial
5.299,00 €Schritt 2: Berechnung der Einnahmen mit Direktvermarktung
Für die Direktvermarktung benötigen wir zwei zusätzliche Werte: den durchschnittlichen Börsenstrompreis und die Kosten des Vermarkters.
-
Annahme Börsenstrompreis (Marktwert Solar): Wir rechnen mit einem Durchschnittswert von 10,5 Cent/kWh. Dieser Wert kann schwanken, spiegelt aber eine realistische Größenordnung der letzten Monate wider.
-
Annahme Kosten des Direktvermarkters: Wir setzen eine Servicegebühr von 2,50 € pro kWp und Monat an. Dies ergibt jährliche Kosten von 15 kWp × 2,50 € × 12 Monate = 450 €.
-
Rechnung:
- Einnahmen durch Verkauf: 9.500 kWh × 0,105 €/kWh = 997,50 €
- Abzüglich Vermarktungskosten: 997,50 € – 450,00 € = 547,50 € pro Jahr
Zwischenfazit: In diesem spezifischen Rechenbeispiel wäre die klassische Einspeisevergütung die rentablere Option. Der Mehrerlös durch den höheren Strompreis wird von den Kosten des Direktvermarkters aufgezehrt.
Aber was passiert, wenn der Börsenstrompreis höher liegt?
Rechnen wir das Szenario mit einem durchschnittlichen Börsenstrompreis von 13 Cent/kWh durch:
- Rechnung:
- Einnahmen durch Verkauf: 9.500 kWh × 0,13 €/kWh = 1.235 €
- Abzüglich Vermarktungskosten: 1.235 € – 450 € = 785 € pro Jahr
In diesem Fall läge die Direktvermarktung bereits leicht im Plus. Es wird deutlich: Die Entscheidung hängt stark von der zukünftigen Entwicklung des Börsenstrompreises ab. Die allgemeinen Solaranlagenkosten bleiben gleich, aber die Amortisationszeit kann sich dadurch verändern.
Den richtigen Direktvermarkter finden
Sollten Sie nach Ihrer Kalkulation zu dem Schluss kommen, dass die Direktvermarktung für Sie attraktiv ist, steht die Wahl des richtigen Partners an.
Worauf Sie bei der Auswahl achten sollten
- Kostenstruktur: Vergleichen Sie die Gebühren. Einige Anbieter verlangen eine feste Pauschale, andere einen prozentualen Anteil am Erlös. Für Hausbesitzer sind feste Gebühren meist transparenter.
- Vertragslaufzeit: Die Erfahrung zeigt, dass flexible Verträge mit kurzen Kündigungsfristen, zum Beispiel monatlich, am beliebtesten sind. So können Sie reagieren, falls sich die Marktbedingungen ändern.
- Transparenz: Der Anbieter sollte Ihnen ein klares Online-Portal bieten, in dem Sie Ihre Einspeisedaten und die erzielten Erlöse nachvollziehen können.
- Service und Erfahrung: Wählen Sie einen etablierten Anbieter, der Erfahrung mit der Vermarktung von Strom aus kleineren Anlagen hat.
Plattformen wie Photovoltaik.info können Ihnen dabei helfen, die Funktionsweisen der verschiedenen Modelle zu verstehen und eine informierte Wahl zu treffen.
Häufige Fragen zur Direktvermarktung
Ist die Direktvermarktung kompliziert?
Für Sie als Anlagenbetreiber ist der Aufwand gering. Nach der Auswahl des Partners und dem Vertragsabschluss übernimmt dieser die gesamte Abwicklung mit dem Netzbetreiber und der Strombörse. Sie erhalten eine monatliche Gutschrift.
Was passiert, wenn der Börsenpreis stark fällt?
Dank der gesetzlich verankerten Marktprämie sind Sie abgesichert. Fällt der durchschnittliche Monatsmarktwert unter Ihren individuellen EEG-Vergütungssatz, erhalten Sie eine Ausgleichszahlung. Ihr Erlös entspricht dann der EEG-Vergütung abzüglich der Servicegebühr.
Wie beeinflusst ein Stromspeicher meine Entscheidung?
Ein Speicher für PV-Anlagen erhöht Ihren Eigenverbrauch, da Sie den tagsüber erzeugten Strom abends und nachts selbst nutzen können. Dadurch sinkt die Menge des eingespeisten Stroms, was die absolute Differenz zwischen den beiden Vergütungsmodellen verkleinert. Die Entscheidung für oder gegen die Direktvermarktung wird dadurch weniger ausschlaggebend.
Kann ich jederzeit zwischen den Modellen wechseln?
Ein Wechsel ist in der Regel möglich. Die meisten Direktvermarkter bieten Verträge mit monatlichen Kündigungsfristen an, sodass Sie bei Bedarf wieder in die Einspeisevergütung zurückkehren können. Prüfen Sie dazu die genauen Vertragsbedingungen.
Fazit: Eine individuelle Entscheidung für Rechner und Optimierer
Die Direktvermarktung ist kein Selbstläufer, sondern eine strategische Option für Betreiber größerer Photovoltaikanlagen, die bereit sind, sich aktiv mit dem Strommarkt auseinanderzusetzen. Sie bietet die Chance auf höhere Erträge, erfordert aber eine sorgfältige Kalkulation.
- Für Sicherheitsorientierte: Die klassische Einspeisevergütung bietet über 20 Jahre garantierte und absolut planbare Einnahmen ohne weiteren Aufwand.
- Für Optimierer: Wer an steigende Börsenstrompreise glaubt und die jährlichen Vermarktungskosten durch höhere Erlöse kompensieren kann, findet in der Direktvermarktung ein flexibles und potenziell lukratives Modell.
Der entscheidende Schritt ist eine realistische Kalkulation für Ihre individuelle Situation. Nutzen Sie unsere Anleitung als Vorlage und setzen Sie Ihre Werte für Anlagengröße, Eigenverbrauch und die Angebote verschiedener Direktvermarkter ein.
Weitere praxisnahe Informationen zur Planung und zum Betrieb Ihrer Photovoltaikanlage finden Sie direkt auf Photovoltaik.info.



