Dimensionierung einer Photovoltaik-Inselanlage: So berechnen Sie die Anlagengröße für den komplett netzunabhängigen Betrieb

Photovoltaik-Inselanlage richtig dimensionieren: So berechnen Sie Ihren Bedarf für den Ganzjahresbetrieb
Der Gedanke an vollständige Energieautarkie ist für viele Hausbesitzer und Naturfreunde faszinierend: Strom zu erzeugen und zu verbrauchen, wo immer man ihn braucht – ganz ohne Anschluss an das öffentliche Netz. Doch anders als bei netzgekoppelten Anlagen, bei denen das Stromnetz als Puffer dient, verzeiht eine Inselanlage keine Planungsfehler. Entscheidend für den Erfolg ist dabei nicht die maximale Sonneneinstrahlung im Sommer, sondern die zuverlässige Versorgung an den kürzesten und dunkelsten Tagen des Jahres.
Das Grundprinzip einer Inselanlage: Sicherheit vor Ertrag
Eine netzgekoppelte Photovoltaikanlage ist darauf ausgelegt, über das Jahr gesehen möglichst viel Strom zu erzeugen und Kosten zu sparen. Reicht der Solarstrom nicht aus, springt das öffentliche Netz ein. Eine Inselanlage hingegen muss zu 100 % autark funktionieren – fällt sie aus, gibt es keinen Strom.
Deshalb steht bei der Planung nicht die Wirtschaftlichkeit, sondern die Versorgungssicherheit an erster Stelle. Das Ziel ist, ein System zu schaffen, das selbst unter den schlechtesten Bedingungen – also im tiefsten Winter – den Energiebedarf zuverlässig deckt. Jede Inselanlage besteht im Kern aus vier Komponenten, die perfekt aufeinander abgestimmt sein müssen:
- PV-Module: Wandeln Sonnenlicht in Gleichstrom um.
- Laderegler: Steuert das Laden der Batterie und schützt sie vor Über- oder Tiefentladung.
- Batteriespeicher: Speichert die erzeugte Energie für die Nacht und sonnenarme Tage.
- Wechselrichter: Wandelt den Gleichstrom aus der Batterie in den haushaltsüblichen 230V-Wechselstrom um.
Wenn Sie sich mit den Grundlagen vertraut machen möchten, finden Sie in unserem Ratgeber eine detaillierte Erklärung zur Frage „Was ist eine Photovoltaik-Inselanlage?“.
Der entscheidende Faktor: Die Versorgungslücke im Winter
Der häufigste und gravierendste Fehler bei der Dimensionierung von Inselanlagen ist die Orientierung an durchschnittlichen oder sommerlichen Ertragswerten. Die Sonneneinstrahlung in Deutschland schwankt extrem zwischen den Jahreszeiten.
So kann ein Kilowatt-Peak (kWp) installierter PV-Leistung an einem sonnigen Junitag zwar problemlos 4 bis 5 Kilowattstunden (kWh) Strom erzeugen, an einem trüben Dezember- oder Januartag sind es jedoch oft nur 0,5 bis 1 kWh. Das ist ein Rückgang von bis zu 90 %.
Wer seine Anlage auf Basis des Sommerertrags plant, wird im Winter unweigerlich mit Stromausfällen konfrontiert. Daher muss die gesamte Berechnung vom „Worst-Case-Szenario“ ausgehen: dem täglichen Energiebedarf in den sonnenärmsten Monaten.
Schritt-für-Schritt-Anleitung zur richtigen Dimensionierung
Eine sorgfältige Berechnung ist das Fundament jeder funktionierenden Inselanlage. Gehen Sie die folgenden drei Schritte gewissenhaft durch, um die richtige Größe für Ihr Vorhaben zu finden.
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Ab 2.099,00 €Schritt 1: Den tatsächlichen Energiebedarf ermitteln
Der erste und wichtigste Schritt ist eine ehrliche Bestandsaufnahme Ihres täglichen Energiebedarfs. Erstellen Sie eine detaillierte Liste aller Geräte, die Sie betreiben möchten. Notieren Sie deren Leistung in Watt (W) und die durchschnittliche tägliche Nutzungsdauer in Stunden (h).
Beispielhafte Liste für ein kleines Wochenendhaus:
- LED-Beleuchtung (4x): 32 W x 4 h = 128 Wh
- Effizienter Kühlschrank: 50 W x 8 h (Laufzeit) = 400 Wh
- Wasserpumpe: 60 W x 0,5 h = 30 Wh
- Laptop laden: 65 W x 2 h = 130 Wh
- Radio: 15 W x 3 h = 45 Wh
Gesamt: 733 Wh oder ca. 0,73 kWh
Seien Sie bei dieser Liste lieber pessimistisch und planen Sie einen Puffer von 20–30 % für unvorhergesehene Verbraucher oder Verluste im System ein. In unserem Beispiel planen wir deshalb mit einem täglichen Bedarf von 1 kWh.
Schritt 2: Die PV-Leistung für den Winter auslegen
Nun gilt es zu berechnen, wie viel PV-Leistung (in kWp) Sie benötigen, um diesen Tagesbedarf auch im Winter zu decken. Grundlage dafür ist ein realistischer Ertragswert für Ihre Region im Winter.
Ein konservativer, aber sicherer Wert für Deutschland liegt bei 0,8 kWh pro installiertem kWp pro Tag im Dezember/Januar.
Die Formel lautet:
Täglicher Energiebedarf (kWh) / Winter-Ertrag pro kWp = Benötigte PV-Leistung (kWp)
Für unser Beispiel:
1 kWh / 0,8 = 1,25 kWp
Sie benötigen also eine PV-Anlage mit mindestens 1,25 kWp Leistung. Die Erfahrung zeigt, dass es sinnvoll ist, die Modulleistung etwas großzügiger zu wählen, um auch an sehr trüben Tagen noch einen gewissen Ertrag zu sichern. Viele entscheiden sich daher, auf die nächstgrößere, gängige Modulkonfiguration aufzurunden, z. B. auf 1,5 kWp.
Schritt 3: Den Batteriespeicher für dunkle Tage berechnen
Der Batteriespeicher ist Ihre Versicherung gegen mehrere sonnenlose Tage hintereinander. Seine Größe hängt davon ab, wie viele Tage Sie ohne nennenswerte Sonneneinstrahlung überbrücken möchten (sogenannte „Autonomietage“).
Für eine hohe Versorgungssicherheit sind 3 bis 5 Autonomietage ein gängiger Richtwert.
Zusätzlich müssen Sie die maximale Entladetiefe (Depth of Discharge, DoD) Ihrer Batterie berücksichtigen. Moderne Lithium-Batterien erlauben eine Entladung von 90 % (DoD = 0,9), während Blei-Säure-Batterien oft nur bis 50 % (DoD = 0,5) entladen werden sollten, um ihre Lebensdauer nicht zu verkürzen.
Die Formel für die Speicherkapazität lautet:
(Täglicher Energiebedarf × Autonomietage) / Entladetiefe (DoD) = Notwendige Brutto-Speicherkapazität (kWh)
Für unser Beispiel (mit 3 Autonomietagen und einer Lithium-Batterie):
(1 kWh × 3) / 0,9 = 3,33 kWh
Sie benötigen also einen Photovoltaik Speicher mit einer Bruttokapazität von etwa 3,33 kWh, um die benötigte nutzbare Kapazität von 3 kWh zu erreichen. Auch hier ist ein Puffer ratsam.
Häufige Fehler bei der Planung von Inselanlagen vermeiden
Die Erfahrung aus vielen Projekten zeigt typische Fallstricke, die es zu vermeiden gilt:
- Planung auf Basis von Sommerwerten: Der häufigste Fehler, der im Winter unweigerlich zu Strommangel führt.
- Unterschätzung des Verbrauchs: Vergessene Geräte oder eine zu optimistische Einschätzung der Nutzungsdauer führen zu einem zu klein dimensionierten System.
- Zu kleiner Batteriespeicher: Ein oder zwei bewölkte Tage genügen, und die Lichter gehen aus. Sparen Sie nicht an den Autonomietagen.
- Wirkungsgrade ignorieren: Jede Komponente (Wechselrichter, Kabel, Batterie) hat Verluste. Planen Sie deshalb immer einen Sicherheitsaufschlag von 20–30 % auf Ihren errechneten Bedarf ein.
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6.299,00 €Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Dimensionierung von Inselanlagen
Was passiert an komplett bewölkten oder verschneiten Tagen?
Genau für diese Phasen ist der Batteriespeicher ausgelegt. Die berechneten Autonomietage (z. B. 3 Tage) stellen sicher, dass Ihre Versorgung auch dann gewährleistet ist, wenn die PV-Module kaum oder gar keinen Strom liefern.
Kann ich einen Generator als Backup nutzen?
Ja, das ist eine sehr verbreitete und sinnvolle Lösung, um die absolute Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Ein kleiner Generator kann die Batterien an langen, sonnenarmen Perioden nachladen und ist damit eine kostengünstige Absicherung.
Warum ist die Berechnung so anders als bei einer netzgekoppelten Anlage?
Eine netzgekoppelte Anlage kann Defizite jederzeit durch Strom aus dem öffentlichen Netz ausgleichen. Eine Inselanlage muss diese Defizite vollständig selbst über eine ausreichend große PV-Leistung und Speicherkapazität abdecken. Sie ist ein geschlossenes System ohne externe Hilfe.
Habe ich im Sommer dann nicht viel zu viel Strom?
Ja, eine für den Winter ausgelegte Anlage wird im Sommer erhebliche Stromüberschüsse produzieren. Das ist ein systembedingter Kompromiss. Sie können diesen Überschuss jedoch oft sinnvoll nutzen, zum Beispiel zur Erwärmung von Wasser über einen Heizstab oder zum Betrieb stromintensiverer Geräte, die im Winter pausieren.
Fazit: Sorgfältige Planung ist der Schlüssel zur Autarkie
Die Dimensionierung einer Photovoltaik-Inselanlage ist anspruchsvoller als die einer Standardanlage, aber mit einer systematischen Herangehensweise absolut machbar. Der Schlüssel liegt darin, nicht vom Idealfall im Sommer, sondern vom schlechtesten Fall im Winter auszugehen. Wenn Sie Ihren realen Bedarf ermitteln und das System konsequent für die dunkle Jahreszeit auslegen, schaffen Sie eine robuste Energieversorgung, auf die Sie sich das ganze Jahr über verlassen können.
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