Mehrere Balkonkraftwerke an einem Zähler: Was ist erlaubt und was nicht?

Die Idee ist verlockend: Sie betreiben bereits ein Balkonkraftwerk und möchten Ihren Solarertrag weiter steigern. Ein zweites Dach, die Garage oder eine zusätzliche Balkonseite bieten sich dafür an. Doch ist es überhaupt zulässig, mehrere Mini-Solaranlagen an einem einzigen Stromzähler zu betreiben? Die kurze Antwort lautet: Ja, aber entscheidend ist die Gesamtleistung. Dieser Beitrag erklärt die geltenden Regeln und zeigt, worauf es ankommt, um rechtlich und technisch auf der sicheren Seite zu sein.

Die Grundlage: Warum gibt es überhaupt eine Obergrenze?

Wer verstehen will, warum man nicht einfach beliebig viele Balkonkraftwerke anschließen darf, sollte den Zweck der sogenannten 800-Watt-Grenze kennen. Sie soll den Anschluss von Mini-PV-Anlagen für Verbraucher drastisch vereinfachen. Anlagen bis zu dieser Leistungsgrenze profitieren von einem unbürokratischen Anmeldeverfahren beim Netzbetreiber und im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur.

Technischer Hintergrund dieser Regelung, verankert in der Norm VDE-AR-N 4100, ist die Sicherheit des hauseigenen Stromnetzes. Die Norm geht davon aus, dass eine Einspeisung von bis zu 800 Watt einen bestehenden Stromkreis nicht unzulässig belastet. Alles, was darüber hinausgeht, wird als „große“ Photovoltaikanlage eingestuft und unterliegt deutlich strengeren Installations- und Anmeldevorschriften.

Die 800-Watt-Grenze pro Zähler: Der entscheidende Faktor

Die wichtigste Regel lautet: Die 800-Watt-Grenze für die vereinfachte Anmeldung gilt pro Stromzähler, also pro Anschluss- oder Zählpunkt. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Leistung von einem einzigen oder von mehreren Geräten erzeugt wird. Für den Netzbetreiber zählt allein die Summe der Leistung, die über Ihren Zähler ins Netz fließen kann.

Was bedeutet das in der Praxis?

Für Sie als Betreiber ist die summierte Ausgangsleistung der Wechselrichter entscheidend. Die Spitzenleistung der Solarmodule, angegeben in Watt-Peak (Wp), ist dabei zweitrangig.

Szenario 1 (Erlaubt):
Sie betreiben ein Balkonkraftwerk mit einem 400-Watt-Wechselrichter am Balkon und ein weiteres auf der Garage mit ebenfalls einem 400-Watt-Wechselrichter. Die Gesamtleistung beträgt 800 Watt. Dies ist im Rahmen der vereinfachten Regelung zulässig.

Szenario 2 (Nicht erlaubt):
Sie betreiben zwei Anlagen mit je einem 600-Watt-Wechselrichter. Die Gesamtleistung von 1.200 Watt überschreitet die Grenze. Eine solche Konfiguration kann nicht mehr als vereinfachtes Balkonkraftwerk angemeldet werden.

Die Erfahrung zeigt, dass viele Nutzer sich für Modulkombinationen entscheiden, deren Gesamtleistung über 800 Wp liegt, die aber an einem Wechselrichter betrieben werden, der die Leistung auf die erlaubten 800 Watt drosselt. Das ist völlig legitim und sorgt auch bei schwächerem Licht für einen besseren Ertrag.

Mehrere Balkonkraftwerke

Mehrere Anlagen, ein Zähler: Wie wird die Leistung zusammengezählt?

Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Balkonkraftwerk auf dem Südbalkon und ein weiteres auf dem Westbalkon, um auch die Abendsonne zu nutzen. Sind beide an denselben Stromzähler angeschlossen, speisen ihre Wechselrichter gleichzeitig Strom ein. Für den Netzbetreiber und die Sicherheit Ihres Hausnetzes zählt dann die Summe dieser Leistungen.

Wichtig ist: Die beiden Anlagen müssen in der Anmeldung im Marktstammdatenregister als eine einzige Anlage mit der Gesamtleistung der Wechselrichter (z. B. 800 Watt) gemeldet werden. Es ist nicht korrekt, zwei separate Anlagen mit je 400 Watt zu registrieren, wenn sie am selben Zähler hängen.

Praxisbeispiel:

Ein Vierpersonenhaushalt hat eine Grundlast von etwa 200 Watt. Ein einzelnes 400-Watt-Balkonkraftwerk deckt diese tagsüber bereits gut ab. Mit einer zweiten 400-Watt-Anlage an einer anderen Himmelsrichtung steigern Sie den Eigenverbrauch jedoch deutlich, da die Erzeugungskurve über den Tag breiter wird. So decken Sie auch Verbrauchsspitzen am Nachmittag, etwa durch Kochen oder Waschen, besser mit eigenem Solarstrom ab.

Zwei Balkonkraftwerke am Haus

Technische und rechtliche Fallstricke, die Sie kennen sollten

Neben der reinen Leistungsgrenze gibt es beim Betrieb mehrerer Anlagen weitere Punkte, die für einen sicheren Betrieb entscheidend sind.

Überlastung des Stromkreises

Auch wenn die Gesamteinspeisung 800 Watt nicht übersteigt, sollten Sie darauf achten, die Anlagen nicht an einen Stromkreis anzuschließen, an dem bereits große Verbraucher wie eine Waschmaschine oder ein Trockner hängen. Ein typischer Haushaltsstromkreis ist mit 16 Ampere abgesichert, was einer Leistung von rund 3.680 Watt entspricht. Der gleichzeitige Betrieb mehrerer Balkonkraftwerke und eines Großverbrauchers an einem Kreis kann die Sicherung auslösen. Im Zweifel ist es ratsam, für jede Anlage einen separaten Stromkreis zu nutzen oder die Situation von einem Elektriker prüfen zu lassen.

Die Anmeldung beim Netzbetreiber und im Marktstammdatenregister

Denken Sie daran, die Anlagen als eine Einheit mit der summierten Wechselrichterleistung anzumelden. Eine falsche oder fehlende Anmeldung kann zu Problemen mit dem Netzbetreiber führen und stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Glücklicherweise ist die Online-Anmeldung in wenigen Minuten erledigt.

Der richtige Anschluss: Schuko vs. Wieland

Für den Anschluss einzelner Balkonkraftwerke bis 800 Watt hat sich der herkömmliche Schukostecker in Deutschland etabliert. Betreiben Sie jedoch zwei Anlagen an einer Steckdose oder in einem Stromkreis, ist eine feste Installation durch einen Fachmann über eine spezielle Energiesteckdose (z. B. Wieland-Stecker) die sicherste Variante, um Überlastungsrisiken auszuschließen.

Sonderfall: Zwei Zähler im Haus?

Ein interessanter Sonderfall ergibt sich, wenn in einem Gebäude zwei getrennte Stromzähler vorhanden sind, etwa für eine Hauptwohnung und eine Einliegerwohnung. Da die 800-Watt-Grenze pro Zählpunkt gilt, wäre es hier möglich, an jedem Zähler ein Balkonkraftwerk mit bis zu 800 Watt zu betreiben. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich um zwei vollständig getrennte Stromkreise und Anschlüsse handelt.

Zwei Stromzähler für Balkonkraftwerke

Lohnt sich ein Balkonkraftwerk mit Speicher als Alternative?

Bevor Sie in eine zweite Anlage investieren, um mehr Solarstrom zu nutzen, sollten Sie eine Alternative in Betracht ziehen. Wenn Ihr Ziel ein höherer Eigenverbrauchsanteil ist, könnte ein Balkonkraftwerk mit Speicher die bessere Wahl sein. Anstatt mittags überschüssigen Strom ins Netz einzuspeisen, laden Sie damit einen kleinen Akku. Diese Energie können Sie dann in den Abendstunden nutzen, wenn die Sonne nicht mehr scheint, der Strombedarf aber oft am höchsten ist. So steigern Sie Ihre Autarkie, ohne die 800-Watt-Einspeisegrenze zu überschreiten.

FAQ – Häufige Fragen zu mehreren Balkonkraftwerken

Kann ich eine 600-Watt-Anlage und eine 200-Watt-Anlage kombinieren?
Ja, das ist problemlos möglich. Die Gesamtleistung der Wechselrichter beträgt 800 Watt und liegt damit genau im erlaubten Rahmen für die vereinfachte Anmeldung.

Was ist, wenn meine Solarmodule zusammen mehr als 800 Wp haben?
Das ist unproblematisch und oft sogar empfehlenswert. Entscheidend für die Anmeldung ist ausschließlich die Ausgangsleistung des Wechselrichters (in Watt, W), nicht die Modulleistung (in Watt-Peak, Wp). Eine höhere Modulleistung sorgt dafür, dass der Wechselrichter auch bei schwächerem Licht seine volle Leistung erbringen kann.

Benötige ich für die Installation von zwei Anlagen einen Elektriker?
Für den reinen Anschluss über eine Steckdose ist in der Regel kein Elektriker vorgeschrieben. Wenn Sie jedoch unsicher sind, ob Ihr Stromkreis für die zusätzliche Last ausgelegt ist, oder wenn Sie eine feste Installation wünschen, sollten Sie dringend einen Fachmann zu Rate ziehen.

Was passiert, wenn ich die 800-Watt-Grenze überschreite?
Eine Anlage mit mehr als 800 Watt Wechselrichterleistung gilt nicht mehr als Mini-PV-Anlage. Sie muss dann wie eine große Dachanlage von einem zertifizierten Elektriker installiert und beim Netzbetreiber angemeldet werden. Das vereinfachte Verfahren entfällt komplett.

Fazit: Die 800-Watt-Regel intelligent nutzen

Der Betrieb mehrerer Balkonkraftwerke an einem Zähler ist eine hervorragende Möglichkeit, den Eigenverbrauch von Solarstrom zu maximieren. Solange die Summe der Wechselrichterleistungen die 800-Watt-Grenze nicht übersteigt, profitieren Sie weiterhin von der einfachen Anmeldung. Wichtig sind eine sichere elektrische Installation und die korrekte Angabe der Gesamtleistung bei der Registrierung. So können Sie verschiedene Flächen wie Balkone, Garagendächer oder Fassaden nutzen, um Ihre Stromrechnung nachhaltig zu senken.

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