Anlagenzertifikat & Einheitenzertifikat: Was Sie für den Netzanschluss wissen müssen

Anlagenzertifikat & Einheitenzertifikat: Was Sie für den Netzanschluss wissen müssen

Viele Betreiber von Photovoltaikanlagen freuen sich auf den Moment, in dem ihre Anlage endlich Strom produziert und ins Netz einspeist. Doch gerade bei größeren Projekten wartet oft eine administrative Hürde, die im Vorfeld leicht übersehen wird: die Zertifizierungspflicht. Ohne die korrekten Nachweise verweigert der Netzbetreiber den Anschluss – und die wichtige EEG-Vergütung entfällt. Dieser Beitrag erklärt, was sich hinter den Begriffen Anlagenzertifikat und Einheitenzertifikat verbirgt und wann Sie welchen Nachweis benötigen.

Der feine Unterschied: Zwei Zertifikate, zwei Aufgaben

Auf den ersten Blick klingen die Begriffe ähnlich, doch sie beschreiben zwei grundlegend verschiedene Nachweise. Man kann es sich wie bei einem Auto vorstellen: Das Einheitenzertifikat ist die Zulassung für ein einzelnes Bauteil, etwa den Motor oder die Bremsen. Das Anlagenzertifikat hingegen ist die finale Hauptuntersuchung für das gesamte, fertig zusammengebaute Fahrzeug.

Das Einheitenzertifikat: Der Qualitätsnachweis für die Komponente

Das Einheitenzertifikat belegt, dass eine einzelne Erzeugungseinheit – bei Photovoltaikanlagen ist das in der Regel der Wechselrichter – die technischen Anforderungen für den Netzanschluss erfüllt. Der Hersteller der Komponente beantragt es bei einer akkreditierten Stelle, die damit bescheinigt, dass das Gerät sich netzkonform verhält. Achten Sie als Anlagenbetreiber darauf, ausschließlich Komponenten zu verbauen, die über ein solches gültiges Zertifikat verfügen.

Das Anlagenzertifikat: Der System-TÜV für die Gesamtanlage

Das Anlagenzertifikat geht einen entscheidenden Schritt weiter. Es bewertet nicht nur eine einzelne Komponente, sondern das Verhalten der gesamten Photovoltaikanlage am spezifischen Netzanschlusspunkt. Es bestätigt, dass alle installierten Komponenten (Module, Wechselrichter, Steuerungstechnik) korrekt zusammenspielen und die Stabilität des öffentlichen Stromnetzes unterstützen. Die Verantwortung für die Beauftragung dieses Zertifikats liegt bei Ihnen als Betreiber.

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Warum ist diese Zertifizierung überhaupt notwendig?

Das Stromnetz ist ein hochkomplexes System, das auf eine stabile Frequenz und Spannung angewiesen ist. Jede neue Erzeugungsanlage, die Strom einspeist, beeinflusst dieses Gleichgewicht. Früher gab es wenige große Kraftwerke, heute speisen Tausende dezentrale Anlagen wie PV-Systeme Energie ein.

Um einen Blackout zu verhindern, müssen sich diese Anlagen aktiv an der Netzstabilisierung beteiligen. Die Zertifikate stellen sicher, dass Ihre Anlage bei Netzstörungen korrekt reagiert – zum Beispiel, indem sie kurzzeitig die Leistung anpasst. Die technischen Grundlagen dafür legen die Anwendungsregeln des VDE fest (z. B. VDE-AR-N 4105 und 4110). Ohne diese garantierten Eigenschaften würde das Netz unter der Last der vielen kleinen Erzeuger instabil werden.

Wann benötigen Sie welches Zertifikat? Die Leistungsklassen im Überblick

Die entscheidende Frage ist, ob Ihre geplante Anlage überhaupt ein aufwendiges Anlagenzertifikat benötigt. Die Antwort hängt von zwei Faktoren ab: der installierten Leistung in Kilowatt (kW) und der Spannungsebene, an der die Anlage angeschlossen wird (Niederspannung oder Mittelspannung).

Daraus ergeben sich vier verschiedene Zertifizierungstypen, die in den technischen Anschlussregeln (TAR) definiert sind.

Vereinfachter Nachweis für Anlagen bis 135 kW (Typ D)

Für die meisten größeren privaten und viele kleinere gewerbliche Anlagen gibt es eine gute Nachricht: Anlagen mit einer Leistung bis einschließlich 135 kW, die an das Niederspannungsnetz angeschlossen werden, benötigen kein komplexes Anlagenzertifikat. Hier genügt in der Regel ein vereinfachtes Verfahren.

  • Voraussetzung: Sie verwenden ausschließlich Komponenten (insbesondere Wechselrichter) mit gültigem Einheitenzertifikat.
  • Nachweis: Der Installateur füllt die entsprechenden Datenblätter und die Konformitätserklärung aus und reicht diese zusammen mit den Einheitenzertifikaten beim Netzbetreiber ein.

Praxisbeispiel: Ein landwirtschaftlicher Betrieb installiert eine 90-kWp-Anlage auf einem Scheunendach. Da die Anlage weniger als 135 kW Leistung hat und an das übliche Niederspannungsnetz angeschlossen wird, reicht der vereinfachte Nachweis. Kosten und Aufwand sind minimal.

Anlagenzertifikat Pflicht für Anlagen über 135 kW (Typ C und B)

Sobald die Grenze von 135 kW überschritten wird, ist ein vollwertiges Anlagenzertifikat Pflicht. Hier wird unterschieden:

  • Typ C: Für Anlagen über 135 kW bis 950 kW am Niederspannungsnetz. Hier ist ein Anlagenzertifikat „B“ erforderlich.
  • Typ B: Für Anlagen von 135 kW bis 950 kW am Mittelspannungsnetz. Auch hier wird das Anlagenzertifikat „B“ benötigt, allerdings ist der Prozess oft aufwendiger.

Praxisbeispiel: Ein mittelständisches Unternehmen plant eine 250-kWp-Anlage auf seiner Produktionshalle zur Deckung des Eigenbedarfs. Da die Leistung 135 kW übersteigt, muss der Betreiber vor der Inbetriebnahme eine akkreditierte Zertifizierungsstelle beauftragen, die ein Anlagenzertifikat ausstellt. Diese Kosten können mehrere Tausend Euro betragen und müssen im Projektbudget eingeplant werden.

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Zertifizierung für Großanlagen (Typ A)

Anlagen mit einer Leistung über 950 kW (Typ A) fallen in die Kategorie der Kraftwerke und erfordern das aufwendigste Zertifizierungsverfahren („Anlagenzertifikat C“). Dies betrifft in der Regel große Solarparks und wird hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Der Prozess: Vom Zertifikat zum Netzanschluss und zur Vergütung

Die Erfahrung zeigt, dass der Zertifizierungsprozess oft unterschätzt wird und deshalb von Anfang an in die Projektplanung einfließen sollte.

  1. Planungsphase: Klären Sie frühzeitig mit Ihrem Planer oder Installateur, welche Zertifikatsanforderungen für Ihr Projekt gelten.
  2. Komponentenauswahl: Achten Sie darauf, dass alle relevanten Komponenten über die notwendigen Einheitenzertifikate verfügen. Seriöse Anbieter weisen dies transparent aus.
  3. Beauftragung der Zertifizierungsstelle: Bei zertifikatspflichtigen Anlagen müssen Sie eine unabhängige, akkreditierte Stelle mit der Prüfung beauftragen.
  4. Einreichung der Unterlagen: Der Zertifizierer prüft die Planungsunterlagen, die elektrischen Eigenschaften der Anlage und die Simulationsmodelle.
  5. Konformitätserklärung: Nach erfolgreicher Errichtung der Anlage stellt der Installateur eine Konformitätserklärung aus, die bestätigt, dass die Anlage gemäß den zertifizierten Plänen gebaut wurde.
  6. Netzanschluss: Das finale Anlagenzertifikat ist die Voraussetzung dafür, dass der Netzbetreiber die Anlage an das Netz anschließt und Sie Anspruch auf die EEG-Vergütung haben.

Häufige Fragen zu Anlagen- und Einheitenzertifikaten

Was kostet ein Anlagenzertifikat?

Die Kosten sind stark von der Anlagengröße und Komplexität abhängig. Für Anlagen im Typ-B- oder Typ-C-Bereich sollten Sie mit Kosten von mehreren Tausend Euro rechnen. Der vereinfachte Nachweis (Typ D) ist hingegen mit geringen bis keinen Extrakosten verbunden.

Wer stellt diese Zertifikate aus?

Einheitenzertifikate werden vom Hersteller der Komponente beantragt. Das Anlagenzertifikat muss der Anlagenbetreiber bei einer unabhängigen, von der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) zugelassenen Zertifizierungsstelle in Auftrag geben.

Wie lange dauert der Prozess?

Der gesamte Prozess von der Beauftragung bis zum Erhalt des finalen Zertifikats kann mehrere Wochen bis Monate in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Planung ist daher essenziell, um Verzögerungen bei der Inbetriebnahme zu vermeiden.

Benötige ich ein Zertifikat für meine private 10-kWp-Anlage auf dem Einfamilienhaus?

Nein. Für typische private Hausanlagen (in der Regel unter 30 kWp) gilt das vereinfachte Nachweisverfahren. Ihr Fachbetrieb kümmert sich im Rahmen der Anmeldung beim Netzbetreiber um die notwendigen Formulare und Nachweise der verwendeten Komponenten.

Was passiert, wenn ich kein Zertifikat vorlegen kann?

Ohne das geforderte Zertifikat wird der Netzbetreiber den Netzanschluss verweigern. Das bedeutet, Ihre Anlage darf keinen Strom einspeisen und Sie erhalten keine Einspeisevergütung. Die Investition wäre damit praktisch wertlos.

Fazit: Vorausschauende Planung ist der Schlüssel

Die Zertifizierungspflicht für Photovoltaikanlagen ist kein bürokratisches Hindernis, sondern eine wichtige technische Notwendigkeit zur Sicherung unserer Stromversorgung. Während Betreiber von typischen Eigenheimanlagen davon kaum betroffen sind, wird sie für jeden, der eine Anlage über 135 kW plant, zu einem zentralen und kostenrelevanten Aspekt des Projekts.

Eine frühzeitige und professionelle Planung, die die Zertifizierungsanforderungen von Anfang an berücksichtigt, ist der beste Weg, um kostspielige Verzögerungen und Probleme beim Netzanschluss zu vermeiden.

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