Agri-PV: Baurechtliche Hürden und Genehmigungsverfahren

Die Idee, Ackerflächen doppelt zu nutzen – für die Landwirtschaft und zur Energiegewinnung – ist nicht neu. Doch erst in jüngster Zeit hat die Agri-Photovoltaik (Agri-PV) den Sprung von der Nische zum strategisch wichtigen Baustein der Energiewende vollzogen. Das Potenzial ist gewaltig: Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) aus dem Jahr 2022 beziffert die technisch realisierbare Leistung allein in Deutschland auf rund 1.700 Gigawatt-Peak (GWp). Der Weg von der Idee zur genehmigten Anlage ist jedoch mit baurechtlichen Besonderheiten gepflastert, die es zu kennen gilt.

Was genau ist Agri-Photovoltaik?

Agri-Photovoltaik bezeichnet die gleichzeitige Nutzung einer Fläche für die landwirtschaftliche Pflanzenproduktion und die Erzeugung von Solarstrom. Statt Solarmodule flach am Boden zu installieren, werden sie so aufgeständert oder angeordnet, dass die landwirtschaftliche Bewirtschaftung darunter oder dazwischen weiterhin möglich ist. Dies löst den klassischen Nutzungskonflikt „Tank oder Teller“ und macht Ackerland zu einer doppelt produktiven Ressource.

Im Wesentlichen werden zwei Ansätze unterschieden:

  • Hoch aufgeständerte Systeme: Hier werden die Module in mehreren Metern Höhe montiert, sodass Traktoren und andere Landmaschinen problemlos darunter hindurchfahren können. Dieser Ansatz eignet sich besonders für den Anbau von Obst, Gemüse oder Wein.
  • Vertikale oder bodennahe Systeme: Bei dieser Variante werden die Module senkrecht oder in Reihen mit großem Abstand aufgestellt. Dies ermöglicht die Bewirtschaftung der Flächen zwischen den Modulreihen und schützt die Kulturen gleichzeitig vor starkem Wind oder übermäßiger Sonneneinstrahlung.

In der Praxis interessieren sich viele Landwirte vor allem für hoch aufgeständerte Systeme, da sie die bestehende Bewirtschaftung am wenigsten einschränken.

Der rechtliche Rahmen: Privilegierung im Außenbereich

Lange Zeit war der Bau von Solaranlagen auf landwirtschaftlichen Flächen eine große baurechtliche Herausforderung. Da Ackerland in der Regel im sogenannten „Außenbereich“ liegt, ist eine Bebauung dort nur in Ausnahmefällen gestattet. Eine entscheidende Wende brachten die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2023) und die damit verbundene Anpassung des Baugesetzbuches (BauGB).

Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB sind Agri-PV-Anlagen nun unter bestimmten Voraussetzungen im Außenbereich „privilegiert“. Ihre Genehmigung ist damit grundsätzlich möglich, sofern keine öffentlichen Belange entgegenstehen.

Voraussetzungen für die Privilegierung

Die Privilegierung ist kein Freibrief, sondern an klare Bedingungen geknüpft, die den Doppelnutzungscharakter sicherstellen sollen:

  1. Nachweis der landwirtschaftlichen Nutzung: Die Fläche muss weiterhin hauptsächlich landwirtschaftlich genutzt werden. Als Maßstab dient hier die Norm DIN SPEC 91434, die unter anderem fordert, dass der landwirtschaftliche Ertrag auf der Fläche nach der Installation noch mindestens 66 % des ursprünglichen Ertrags beträgt.
  2. Maximale Leistung und Fläche: Die Anlage darf eine Maximalleistung von 2,5 Megawatt nicht überschreiten und eine Grundfläche von höchstens 2 Hektar einnehmen.
  3. Betriebszugehörigkeit: Die Anlage muss einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dienen.

Diese gesetzliche Förderung wird durch eine eigene Kategorie für die EEG-Vergütung flankiert, was Agri-PV auch wirtschaftlich attraktiver macht.

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Das Genehmigungsverfahren Schritt für Schritt

Obwohl die Privilegierung den Prozess vereinfacht, ist nach wie vor ein Baugenehmigungsverfahren erforderlich. Der genaue Ablauf kann je nach Bundesland und Gemeinde variieren, folgt aber in der Regel einem festen Muster. Das Verfahren ist komplexer als bei einer Dachanlage, aber oft unkomplizierter als bei klassischen Genehmigungsverfahren für Solarparks.

Typische Schritte im Überblick:

  1. Bauvoranfrage: Es ist ratsam, frühzeitig eine Bauvoranfrage bei der zuständigen Baubehörde zu stellen. So lässt sich klären, ob das Vorhaben grundsätzlich genehmigungsfähig ist.
  2. Antragstellung: Der formale Bauantrag wird mit allen erforderlichen Unterlagen (Lageplan, Baubeschreibung, statische Berechnungen, Nachweis der landwirtschaftlichen Nutzung) eingereicht.
  3. Prüfung durch Behörden: Die Baubehörde prüft den Antrag und beteiligt andere Träger öffentlicher Belange, wie die untere Naturschutzbehörde oder das Landwirtschaftsamt.
  4. Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP): Bei größeren Projekten kann eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig werden. Diese prüft die potenziellen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt, wie Boden, Wasser, Tiere und Landschaftsbild.
  5. Genehmigung oder Ablehnung: Nach Abschluss der Prüfungen erteilt die Behörde die Baugenehmigung – gegebenenfalls unter Auflagen – oder lehnt den Antrag ab.

Häufige Hürden und praktische Lösungsansätze

Trotz der rechtlichen Erleichterungen gibt es in der Praxis einige Fallstricke, auf die Antragsteller vorbereitet sein sollten.

Nachweis der Doppelnutzung

Die größte Hürde ist oft der Nachweis, dass die landwirtschaftliche Nutzung im Vordergrund steht. Ein reines Alibi-Feld unter den Modulen reicht nicht aus.

  • Praxisbeispiel: Ein Winzer plant eine hoch aufgeständerte Agri-PV-Anlage über seinen Reben. Im Genehmigungsverfahren muss er ein Gutachten vorlegen, das belegt, dass die Verschattung durch die Module die Qualität und den Ertrag der Trauben nicht um mehr als ein Drittel mindert. Oft zeigt sich sogar ein positiver Effekt, da die Reben vor Hagel oder Sonnenbrand geschützt werden.

Natur- und Landschaftsschutz

Agri-PV-Anlagen verändern das Landschaftsbild. Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) spielt daher eine wichtige Rolle.

  • Typische Auflage: Als typische Auflage fordert die untere Naturschutzbehörde Ausgleichsmaßnahmen. Das bedeutet, der Betreiber muss an anderer Stelle einen ökologischen Mehrwert schaffen, zum Beispiel durch die Anpflanzung einer Hecke oder die Anlage einer Blühwiese am Rande der Agri-PV-Fläche.
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Abgrenzung zu klassischen Freiflächenanlagen

Entscheidend ist, dass das Projekt die Kriterien für Agri-PV klar erfüllt. Der Versuch, eine klassische Freiflächenanlage als Agri-PV zu deklarieren, scheitert im Genehmigungsverfahren. Solche Freiflächenanlagen unterliegen einem deutlich strengeren Planungsrecht und erfordern in der Regel die Aufstellung eines Bebauungsplans durch die Gemeinde.

FAQ: Häufige Fragen zum Baurecht bei Agri-PV

Benötige ich für eine Agri-PV-Anlage immer eine Baugenehmigung?
Ja, ausnahmslos. Agri-PV-Anlagen gelten baurechtlich als bauliche Anlagen und sind daher immer genehmigungspflichtig. Die Privilegierung erleichtert nur die Genehmigungsfähigkeit, ersetzt aber nicht das Verfahren selbst.

Was passiert, wenn meine geplante Anlage die Kriterien für die Privilegierung nicht erfüllt?
Wenn Ihre Anlage zum Beispiel größer als 2 Hektar ist oder der landwirtschaftliche Ertrag zu stark sinkt, entfällt die Privilegierung. In diesem Fall ist eine Genehmigung nur über einen Bebauungsplan möglich. Dies ist ein weitaus längerer und komplexerer Prozess, der die aktive Unterstützung der Gemeinde erfordert.

Wie lange dauert ein typisches Genehmigungsverfahren?
Die Dauer hängt stark von der Komplexität des Vorhabens und der Auslastung der Behörden ab. Rechnen Sie realistisch mit einer Verfahrensdauer von 6 bis 18 Monaten von der Antragstellung bis zur Genehmigung. Eine gute Vorbereitung und vollständige Unterlagen können den Prozess erheblich beschleunigen.

Welche Rolle spielt die Gemeinde bei einem privilegierten Vorhaben?
Obwohl bei privilegierten Vorhaben kein Bebauungsplan nötig ist, muss die Gemeinde dem Bauvorhaben dennoch ihr Einvernehmen erteilen. Eine frühzeitige und transparente Kommunikation mit den lokalen Entscheidungsträgern ist daher ein zentraler Erfolgsfaktor.

Fazit: Ein Weg mit Potenzial

Die Agri-Photovoltaik bietet eine zukunftsweisende Lösung, um die Energiewende voranzutreiben, ohne wertvolle landwirtschaftliche Flächen zu opfern. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen haben die Hürden für die Genehmigung bereits deutlich gesenkt. Dennoch bleibt der Weg zur fertigen Anlage ein anspruchsvolles Unterfangen, das eine sorgfältige Planung und eine genaue Kenntnis der rechtlichen Anforderungen voraussetzt. Die Zusammenarbeit mit erfahrenen Planern und eine offene Kommunikation mit den Behörden sind daher für den Erfolg des Vorhabens entscheidend.

Weitere praxisnahe Informationen zur Auswahl der richtigen Komponenten und zur Planung von Solaranlagen finden Sie direkt auf Photovoltaik.info.

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OLEKSANDR PUSHKAR
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